Ein Fräulein in Nöten

Hallo, Sie! Ja, Sie da, mit dem Smartphone in der Hand! Genau Sie.

Können Sie mir vielleicht erklären, wie Crowdfunding funktioniert? Ich habe das noch nie gemacht und brauche da etwas Hilfe.

Wer das fragt? Na, ich. Ich, Fräulein Leonie Mau. Genau, das Fräulein. Das Fräulein, das nun schon seit einem Monat mit einer Fritte zusammenleben muss. Und genau darum geht es. Ich würde der Fritte gerne ein Busticket nach Rumänien (ONE WAY, das ist sehr wichtig!) zum Geburtstag oder zu Ostern oder der ersten Gelegenheit, die sich bietet, schenken. Das kostet Geld und ich habe keins, weil besagte Fritte mein Sparschwein aufgebrochen und sich von den ganzen Mäusen, die ich gespart hatte, eine große Lieferung Katzenfutter hat kommen lassen. Lauter Sorten, die ich nicht mag. Der Blödmann. Nun bin ich pleite und hungrig und die Fritte geht mir auf den Keks. Und das gewaltig.

Der Typ hat einfach kein Benehmen. Ich meine, Straßenkater hin oder her… Thomas O’Malley von den Aristocats war auch ein Straßenkater und wie galant war der denn wohl? Eben. Aber diese Fritte ist einfach nur ein Flegel.

Freitagabend wieder: Alles war ruhig und friedlich. Ich lag schon im Bett und die dicke freundliche Frau und die Fritte kamen aus dem Wohnzimmer, wo sie noch etwas ferngeglotzt hatten. Die letzten Nächte waren soweit friedlich gewesen, zu dritt im Bett, alles ruhig. Ich ahnte also nichts Böses, als die Fritte sich grinsend vors Bett setzte, der dicken freundlichen Frau genau vor die Füße und gierig die Schublade im Nachttisch, in der die Leckerlis versteckt sind, anstarrte. Die dicke freundliche Frau beeilte sich mit dem Fertigmachen fürs Bett, während sie beruhigend auf uns einredete. Ich war eigentlich ganz entspannt, auch wenn ich die Fritte natürlich keinen Moment aus den Augen ließ. Dann gab es endlich Leckerlis, immer abwechselnd eins für mich und eins für die Fritte. Köstlich.

Als die dicke freundliche Frau schließlich die Leckerli-Tüte verschloss und in der Schublade verschwinden ließ, hüpfte die Fritte plötzlich aufs Bett und landete nur eine halbe Katzenlänge vor meiner Nase. Frechheit. Ich fauchte ihn einmal kurz an und er setzte sich hin, ohne sich mir weiter zu nähern.

Die dicke freundliche Frau hielt kurz die Luft an und holte dann die Leckerlitüte wieder raus. Sehr gut. Wir aßen beide noch ein paar Stückchen und taten so, als wäre gar nichts los. Dumdidum.

Als die dicke freundliche Frau die Leckerlitüte zum zweiten Mal in der Schublade verstaute, hielt ich die Spannung nicht mehr aus und ich machte ein paar Schritte zur Seite, ans Fußende des Bettes, wo ich mich vorsichtig hinlegte. Ich achtete dabei sehr genau darauf, der Fritte nicht den Rücken zuzuwenden, aber es nützte nichts: Offenbar genügte alleine meine Bewegung, ums ihn aktiv werden zu lassen. Er hüpfte in meine Richtung, viel zu hektisch, ich erschrak, sprang vom Bett und auf den Korbstuhl Richtung Fensterbank. Mitten im Sprung landete die Fritte quasi auf meinem Rücken. Ich drehte mich um, so gut und schnell ich konnte, fauchte und knurrte gleichzeitig und versuchte, ihm ein paar Ohrfeigen zu verpassen, was schwierig war, weil er viel zu dicht an mir dran war.

Ich machte zwei schnelle Schritte zurück, schwang die Krallen und fauchte wie ein Drache. Dann musste ich grinsen, denn die Fritte saß immer noch mit geschlossenem Mund vor mir. Zurückfauchen, das macht er nicht – dann würde ich ja sehen, dass er keine Zähne mehr hat. Das weiß ich aber natürlich sowieso, habe ich doch sofort gesehen und außerdem stand es ja in seinem Online-Profil. Dass er mich nicht beißen kann, stimmt mich deutlich fröhlicher als ihn.

Die dicke freundliche Frau hat Fritte ziemlich angemotzt, was ihn überhaupt nicht beeindruckte, und ihm dann ihre Hausschuhe hinterhergeworfen, was ihm auch ziemlich egal zu sein schien. Immerhin ließ er von mir ab, als die dicke freundliche Frau aufsprang und auf ihn zulief.

Ich stand inzwischen sicher auf der Fensterbank, etwas außer Atem vom Fauchen, aber ansonsten unversehrt. Aber ein bisschen Drama schadet nie, dachte ich, und so spuckte und brummelte ich weiter erregt vor mich hin.

Los, Fritte, sagte die dicke freundliche Frau, nicht unfreundlich, aber doch ziemlich bestimmt. Du hast eine Übernachtung alleine im Wohnzimmer gewonnen. Und so führte sie ihn aus dem Schlafzimmer. Ha!

Sobald ich das Schließen der Wohnzimmertür hörte, hüpfte ich leichtfüßig über den Korbstuhl zurück aufs Bett und erwartete die Rückkehr der dicken freundlichen Frau. Und die Rückkehr der Leckerlitüte. Arme Leo, sagte sie, als sie sich zu mir aufs Bett setzte und mich beruhigend streichelte, du machst hier wirklich was mit. Du wünschst die Fritte bestimmt dahin, wo der Pfeffer wächst, oder?

Allerdings, bestätigte ich. Oder auf den Mond, Aber dahin sind die Tickets so teuer.

Vielleicht solltest du es mit Crowdfunding probieren, schlug sie vor, und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Nicht zum Mond, man will ja nicht unbescheiden wirken. Aber zurück nach Rumänien, egal ob da Pfeffer wächst oder irgendwas. Ja, ich würde mich dann wieder schrecklich langweilen, wenn die dicke freundliche Frau arbeiten gehen muss, aber nächste Woche hat sie ja Urlaub (von dem sie selbst völlig vergessen hatte, dass sie ihn eingereicht hatte!) und kann bei mir zu Hause bleiben. Und die übernächste Woche ist noch lange hin.

So etwas wie eine Hundeschule sollte es auch für Katzen geben, überlegte die dicke freundliche Frau, während wir es uns zu zweit im Bett gemütlich machten. Eine Katzen-Benimm-Schule, wo die Fritte lernt, wie man sich gegenüber einem Fräulein zu verhalten hat. Wäre das nicht auch eine gute Idee?

Aber ich weiß nicht. Will der Typ denn überhaupt lernen, wie es geht. Jetzt, während ich diesen Text schreibe, schleicht er schon wieder um mich herum. Wenn er mich heute schon wieder angreift, dann reicht es, dann verkaufe ich ihn über Kleinanzeigen.de. Oh, da ist er. Am Fußende des Bettes. Sitzt einfach so da. Dumdidum. So als hätte er einfach nur Lust auf Gesellschaft. Ohne Hintergedanken. Ob ich das glauben soll?

Psssen Sie auf, wir machen es so: Wenn alles okay ist, dann poste ich morgen ein Foto, ganz normal. Falls aber nicht, dann fangen Sie bitte mit dem Crowdfunding an, okay? Nur für alle Fälle. Wir wollen ja nicht, dass hier jemand verletzt wird.

 

2 Kommentare

  1. Ohweiohwei. Ich wünsche allen Beteiligten ein gutes Durchhaltevermögen. Weniger beim Crowdfunding für‘s Rumänien-Ticket als viel mehr beim aneinander gewöhnen.
    Ja, zahnlose (Strassen-)Katers können leider ganz schöne Rüpel sein.

  2. Und du wolltest diesen deinen Kater doch so unbedingt. Ja, wenn Wünsche in Erfüllung gehen, dann kommt es manchmal doch ganz anders als gedacht.

    Aber gib nicht auf, Fräulein Leonie, vielleicht lernt er ja das Sich-Benehmen doch noch.

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