Einmal Straßenkater, immer Straßenkater?

Wie ist das eigentlich, mit einem ehemaligen Straßenkater zusammenzuleben? Das haben Sie sich doch bestimmt schon gefragt, oder?

Ich auch. Allerdings erst jetzt und mit leicht geänderter Fragestellung, etwa so: Was ist das Besondere am Zusammenleben mit Fritz und welche Anteile dieses Besonderen sind auf sein früheres Leben als Straßenkater zurückzuführen.

Vorweg: Ich glaube nicht, dass Fritz sein ganzes bisheriges Leben auf der Straße verbracht hat – unabhängig davon, wie alt er nun eigentlich ist. Aber egal, ob sechs oder elf Jahre oder irgendwas dazwischen: Ich würde meinen, dass er einen Teil dieser Zeit ein richtiges Zuhause gehabt hat, also in einem Haus und mit Menschen, die sich um ihn kümmern und die ihn liebhaben. Zu entspannt geht er mit allen Begleiterscheinungen des häuslichen Lebens um, seien es Haushaltsgeräte, Geräusche, Gerüche oder bestimmte Abläufe, die sich wiederholen. Auch scheint er keinen Argwohn gegenüber Menschen zu kennen: Er ist offen und kontaktfreudig und voller Vertrauen. Wenn er müde ist, dann legt er sich hin, gerne auf oder bei Menschen, und pennt. Tief und fest, durch kleine bis mittlere Geräusche oder Bewegungen wacht er nicht auf. Manchmal, wenn ich einen zappeligen Abend habe und auf dem Sofa oft die Position wechseln muss, dann stürzt er fast ab von meinem Schoß, überlässt es aber mir, ihn zu halten und wieder irgendwo abzulegen, wo ihm nichts passieren kann. Das ist ja wohl eher nicht typisch für einen Straßenkater, der beim Schlafen immer ein Auge offen behält, um drohende Gefahren früh genug zu bemerken.

Er kennt Küchen und Badezimmer. Badezimmer hält er für einen Ort der entspannten Begegnung: Wenn ich mich aufs Klo setze, nimmt er auf der Badematte daneben Platz und wartet geduldig auf die Entwicklung meiner Geschäfte. Auch beim Duschen gibt er gerne den interessierten Zuschauer, jedoch konnte ich ihn noch nicht dazu überreden, die runtergefallene Seife für mich aufzuheben.

Die Küche ist, nicht weiter untypisch für Katzen aller Art, auch wenn sie nicht von der Straße kommen, einer seiner Lieblingsorte. Es riecht gut, auch wenn die dazugehörigen Leckereien zu seinem Leidwesen alle in Schränken verschlossen sind. Manchmal finden sich kleine Reste auf dem Fußboden oder an benutztem Geschirr, das auf den Abwasch wartet. Wenn Fritz mit dem Geschirr fertig ist, kann es direkt zurück in den Schrank. Einen Gasherd hat er allerdings noch nie benutzt, bevor er bei uns eingezogen ist, glaube ich – er muss da noch lernen, wo man hintritt und wo besser nicht. Angesengelte Katze riecht irgendwie merkwürdig.

Im Bett und auf dem Sofa ist er ein echter Profi, findet immer einen gemütlichen Platz und lässt sich auch gerne zudecken. Nur falls die Temperaturen über Nacht absinken sollten, Sie verstehen schon. Ansonsten ist er natürlich knallhart und abgehärtet.

Was ihn als ehemaligen (Teilzeit-)Straßenkater auszeichnet, zumindest in meiner Wahrnehmung, sind die Strategien, die er erlernt hat, um immer das Beste aus den Dingen zu machen, und zwar mit minimalem Aufwand. Er ist so undramatisch und selbstverständlich in seinem Egoismus, dass man oft erst viel zu spät oder auch gar nicht bemerkt, wie frech und unverschämt der Fritz auch sein kann. Und zwar mit halbgeschlossenen Augen und völlig harmloser Körpersprache. So sieht er dann zumindest aus, aber wenn man ihn anfasst, spürt man sofort den hohen Muskeltonus und auch seine unbedingte Zielstrebigkeit. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es fast unmöglich, ihn davon abzuhalten.

Nach draußen, auf die Straße, scheint es ihn nicht zurückzuziehen. Er sitzt gelegentlich auf der Fensterbank und schaut dem Treiben in diesem Draußen zu, aber besonders begeistert wirkt er davon nicht. Für den Balkon war es bisher noch zu kalt und zumindest den vorderen Balkon muss ich auch noch besser sichern, bevor Fritz ihn betreten darf – bisher aber hat er keine dahingehenden Ambitionen gezeigt. Die Schlafzimmerfensterbank mit den Strandkörben hingegen gefällt ihm ausnehmend gut. Wahrscheinlich bestellt er sich demnächst sein Abendessen und ein trendy Heißgetränk dorthin.

Essen tut er noch immer alleine und hinter verschlossenen Türen. Nicht nur, weil sein Nassfutter so stinkt, dass niemand während der Nahrungsaufnahme in seiner Nähe sein möchte, sondern auch, weil er alles erreichbare Essen in seinen Besitz bringen möchte. Egal, Leo hat sich inzwischen daran gewöhnt, im Bett zu frühstücken, und findet das eigentlich ziemlich gut.

Nach dem Essen trainiert Fritz gerne. Neben der Katzenangel ist der im Türrahmen an einem Gummiband aufgehängte Plüschvogel sein Lieblingsspielzeug – er hopst mit Ausdauer herum und die beiden Typen, die den Laden unter uns betreiben, fragen sich wahrscheinlich verwundert, was genau wir da neuerdings machen. Boing boing boing.

Sein Zusammenleben mit Leo wird täglich entspannter. Die beiden lernen, einander zu lesen, die Kommunikation klappt sehr viel besser als zu Beginn. Inzwischen geht auch Leo gelegentlich auf Fritz zu, um einen Nasenstupser oder einen Hinternschnüffler auszutauschen. Zwischendurch wird auch noch mal gefaucht, aber nicht mehr sehr ernsthaft. Mehr so damenhaft. Was Fritz natürlich voll und ganz zu schätzen weiß.

 

4 Kommentare

  1. Also, einmal davon abgesehen, dass ich den Herrn Fritz auf den Fotos ganz entzückend finde – das liest sich doch recht vielversprechend in puncto Zusammenleben. Frl. Lotte beobachtet das alles von ihrer Wolke aus sicherlich amüsiert und wohlwollend. Euch einen erholsamen und schönen Sonntag und wieder einmal Danke für’s Teilhaben lassen <3. Liebe Grüße, Martina

  2. Das ist super, dass da keine Straßenkatergene die Überhand gewinnen. Aber es soll ja auch unfreiwillige Straßenkater geben, die ein Bett und einen Menschen zu schätzen wissen.
    Ich hatte wegen Pepe ja auch leichte Bedenken. Aber er scheint im spanischen Shelter geboren worden zu sein. Sie kannten sein Geburtsdatum.
    Er will nur seinen eigenen Menschen und die Sicherheit des Hauses. Raus auf den Balkon – ja, kann man machen, aber aufs eingezäunte Grundstück muss nicht. Hauptsache es ist keine andere Katze in Sicht. Passt also, genau wie bei euch!

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