Endlich: Schulung fürs Ehrenamt und Nudelsalat

Wenn Sie diesen Blogpost zur üblichen Zeit lesen, also am Sonntag kurz nach elf Uhr morgens, dann sitze ich schon seit über einer Stunde im Kursraum des Hospizes. Den Blogpost habe ich im Laufe der Woche vorgeschrieben und veröffentlicht habe ich ihn heute, bevor ich aus dem Haus ging.

Es ist endlich so weit: Etwas länger als zwei Jahre warte ich bereits auf den Beginn des Einführungskurses „Ehrenamt stationär“ im Hamburger Hospiz im Helenenstift, denn dieser Kurs findet nur alle zwei Jahre statt. Der letzte begann ganz kurz, nachdem mein Vater gestorben war und als ich mich somit in einem akuten Trauerprozess befand – was einer der bestmöglichen Ausschlussgründe ist.

Zwei Jahre lang habe ich mich also auf den Kurs gefreut, habe gehofft, tatsächlich teilnehmen zu dürfen, und mich, ohne es in Arbeit ausarten zu lassen, so gut wie möglich darauf vorbereitet. Ich habe Bücher, Blogs und Reportagen gelesen (viele davon wirklich sehr lesenswert und tiefgründig), einen Schnuppertag, einen Informationsabend und einen Letzte-Hilfe-Kurs besucht. Ich habe eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht aufgesetzt (das Testament und die Bankvollmacht für meinen Freund stehen noch aus, aber man muss ja auch noch Ziele haben!) und mich mit meinem Hausarzt darüber unterhalten, wie sich Palliativmedizin und ein Organspendeausweis miteinander verbinden lassen.

Um alle Kurstermine (11 Abendtermine, meistens donnerstags, und 3 Wochenenden zwischen November und Anfang März) wahrnehmen zu können, musste ich im Büro ein paar Dienste tauschen. Also habe ich meine Kollegen in meinen Plan eingeweiht. (Wenn ich für jedes staunende „Toll. Ich könnte das ja nicht!“ einen Euro bekommen hätte, könnte ich das Hospiz übrigens kaufen.)

Mit meiner Mutter, die ja daran gewöhnt ist, mich jederzeit erreichen zu können, habe ich vereinbart, dass sie vor allem an den drei Wochenenden damit leben muss, dass ich nicht ans Telefon gehe und mich auch nicht zurückmelde. Sie versteht das und freut sich mit mir, dass ich diesen Kurs machen darf. Dass sie sich vermutlich trotzdem wundern wird, wenn sie mich nicht erreicht, steht auf einem anderen Blatt.

Mein Freund hat sich für den anderen Hospiz-Kurs, „Ehrenamt ambulant“, entschieden. Sein Kurs findet immer am Dienstag statt und hat schon in dieser Woche begonnen. Ein oder zwei Abendtermine haben wir aber gemeinsam und auch ein Wochenende am Anfang des Jahres. Darauf freuen wir uns und bis dahin haben wir uns vermutlich immer was zu erzählen.

Katze 1 und Katze 2 sind sehr gespannt darauf, was der Kurs wohl seelisch und emotional mit mir machen wird. Katzen haben ja sehr feine Antennen für Gefühlsschwankungen… und zumindest Katze 2 zieht sich garantiert unauffällig zurück, wenn ich einen instabilen Eindruck auf sie mache. Katze 1 ist da etwas unerschrockener, aber ob sie sich das Fell nassheulen lässt? Wer weiß? Vielleicht wird ja doch noch eine Therapiekatze aus ihr.

Ansonsten bin ich ganz aufgeregt. Die beiden Kursleiterinnen kenne ich ja schon, aber wie werden die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wohl sein? Überwiegend Frauen, nehme ich an, die meisten auch nicht mehr ganz jung. Ich bin gespannt auf ihre Vorgeschichten und ihre Beweggründe dafür, sich ausgerechnet diesem Ehrenamt zuzuwenden.

Ob wir lustige Kennenlernspiele machen werden? Oder gleich so richtig fiese Rollenspiele, wo es so richtig zur Sache geht und gleich unsere emotionale Belastbarkeit ausgetestet wird? Wer gewinnt dann – wer als erstes oder wer als letztes heult? Wird man uns Hausaufgaben aufgeben und möglicherweise direkt auf Unbeteiligte loslassen?

Der Kurs für das Hospiz-Ehrenamt ist weniger eine Ausbildung als eine Hinführung,  wenn ich es richtig verstanden habe. Wir entwickeln  darin – unter Anleitung und im Austausch miteinander – unsere Fähigkeiten, schwerkranken und sterbenden Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und zu erfassen, wie wir sie am besten auf ihrem Weg begleiten können. Dazu gehören neben Einfühlungsvermögen und echtem Interesse unbedingt auch eine gute Eigenwahrnehmung, abrufbare Erinnerungen an eigene Erlebnisse und gleichzeitig die Fähigkeit, eigene und fremde Bedürfnisse zu unterscheiden.

Dass Biografiearbeit auch mal ans Eingemachte geht, versteht sich von selbst. Es geht dabei, so denke ich, weniger darum, niemals an die eigenen Grenzen zu stoßen, sondern eher darum, sie zu erkennen und ernstzunehmen. Jeder Mensch hat Grenzen, sie sind halt da und je weniger Energie es uns kostet, uns ihnen zu nähern, desto wahrscheinlicher ist, dass sie irgendwann schrumpfen und überwindbar werden. Wir müssen nicht für jede Situation sofort eine Lösung parat haben. Wir dürfen überlegen, uns und andere befragen. Ausprobieren und weiterentwickeln. Auch mal beschließen: „Nächstes Mal mache ich das anders.“

Schön ist es, wenn wir Vertrauen in unser Bauchgefühl UND unsere Kopfentscheidungen haben können. Wenn wir wissen, dass keine unserer Aktionen wirklich falsch sein wird, solange wir empathisch und authentisch bleiben. Die sterbenden Menschen, die wir begleiten wollen, die machen das schließlich auch zum ersten Mal und wissen vielleicht noch gar nicht, was sie wollen bzw. was ihnen gut tut. Ihnen den Raum zu geben, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erforschen, sie beim Probieren vorsichtig unterstützen, die Traurigkeit nicht wegreden und das Schweigen aushalten – das ist schon sehr viel.

Ich glaube, dass wir viele schöne Sachen machen und lernen werden. Spannende Sachen. Nichts eigentlich, weswegen ich nervös sein müsste.

Obwohl… Worüber ich nun schon seit Wochen voller Aufregung nachdenke, ist das Essen. Natürlich. Also, unser Essen jetzt am Wochenende. Wir tagen ja am Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr und zwischendurch sind natürlich gemeinsame Mittagessen geplant. Für die wir essbare Beiträge mitbringen sollen. Und das macht mich wirklich nervös. Diverse Rezepte mit „aufwändig aussehenden Partysalaten, schnell gemacht“ habe ich gewälzt, lange Einkaufszettel geschrieben und schon die ganze Woche über nach und nach Zutaten eingekauft. Wenn alles so läuft wie geplant, dann gibt es zwei verschiedene Nudelsalate, natürlich so typische Blendersalate, die nicht viel Arbeit machen und trotzdem der Renner auf jedem Buffet sind. Eine wunderhübsche rote Schüssel mit Deckel habe ich auch schon gekauft. Es kann also eigentlich nichts schiefgehen. Hoffentlich.

7 Kommentare

  1. Ich habe Hochachtung vor dieser Arbeit. Und tiefe Dankbarkeit für jene, die sie machen. Von mir selbst würdest Du auch viele Euro bekommen, denn ich fange schon fast bei dem Wort Hospiz an zu weinen.
    Dir alles Gute und stabile Katze für heute Abend wenn Du aus dem Kurs kommst.

  2. Das kommt mir alles durchaus bekannt vor. Ich besuche seit letzter Woche einen Kurs für Angehörige von Demenzkranken. Davor und drumherum höre ich auch öfter, dass das ganz ungewöhnlich sei, dass sich jemand freiwillig einem solchen Kurs aussetzt. Meine Mutter hat im Hospiz immerhin fast 5 Wochen verbracht. Wir waren SEHR dankbar darum, dass wir in dieser Zeit nicht NUR mit ihr allein waren, sondern eine ehrenamtliche Begleiterin wöchentlich dazu kam. Anteilnehmende Grüße Iva

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