Gastbeitrag von @esistok: Impressionen aus der Männer-WG

Der kleine Jehan. Im Tierheim lag er nur versteinert auf einem Regal, er schien völlig verängstigt. Ich hab ihn gestreichelt, das ließ er ohne Reaktion über sich ergehen. Dann versuchte ich es mit Kämmen, das schien er zu mögen. Er schnurrte, ansonsten keine Reaktion.

Damals waren er und seine Schwester Jette 11 Jahre alt und hatten schlechte Zähne. Das Tierheim entschied, die vor Abholung machen zu lassen. Und zwar am selben Tag, damit sie Jette leichter in die Transportbox packen können.

Die Folge war, dass nach Eintreffen in meiner Wohnung Jette sofort unter dem Bett verschwand.

Und Jehan, der auch noch richtig bedröhnt war von der Zahn OP, erstmal gegen die Glastür des Wohnzimmers schepperte. Dann flüchtete er immer zwischen Küche und Bad hin und her, bis er schließlich die Duschwanne akzeptabel fand und sich dort scheinbar final niederließ.

„Du wirst nie wieder ins Bad können“ mutmaßte Frau @keinzahnkatzen dann auch folgerichtig.

Aber ich durfte doch wieder ins Bad. Und Jehan akklimatisierte sich. Sehr viel langsamer als Schwester Jette („die Klette“ aka „die klebrige Klette“), aber immerhin.

Schon damals, im Sommer 2016, irritierte der kleine Jehan durch zweierlei: zum einen nieste er sehr oft und damit chronisch, zum anderen biss er zu, wenn er sich wohlfühlte. Wenn ich ihn daraufhin wegschubste, stellte er sich in Boxerpose und versuchte, die schubsende Hand mit gezielten Hieben der rechten Pfote wegzukrallen.

Aua, sowohl Bisse als auch Hiebe taten weh.

Es dauerte ein wenig, bis ich die Bisse als Liebesbisse akzeptieren konnte. Also akzeptieren, dass er es nicht böse meinte, vor den Bissen nahm – und nehme – ich mich aber schon ziemlich in Acht.

In diesem Jahr biss er so heftig zu, dass ich vorsichtshalber zum Arzt gegangen bin, das ging richtig tief.

Jehan schien sich bei mir wohlzufühlen, aber er stand immer etwas im Schatten seiner Schwester Jette („die Klette“). Jette war alles egal, Hauptsache, sie fand einen Menschen, auf den sie sich legen konnte. Und wenn keiner da war, vermöbelte sie ihren Bruder Jehan.

Obwohl er doppelt so viel wog wie sie (4,8 kg zu 2,5 kg), zog er eigentlich immer den Kürzeren.

Jette war schneller und, wie ich glaube, auch mehr bei der Sache. Sie dachte bestimmt: „Oh, lass ma Jehan vermöbeln“, tanzte um ihn rum und tatze ihn ein ums andere Mal auf den Kopf, ins Gesicht oder wohin sie auch immer traf. Jehan dachte noch „Huch. Was will die denn wieder? Mepp?“, da hatte er sich auch schon ein paar gefangen.

Nur im Klammerfight blieb er letztlich Sieger, wobei er es zuerst einfach mit sich machen ließ. „Mepp?“ Dann flogen irgendwann Haarbüschel und selbst Jehan wurde es zuviel, er schien aus seiner Lethargie zu erwachen und knallte Jette ein paar. „Mepp!“

Nach dem Tod seiner Schwester vor einigen Monaten hat sich nicht sehr viel geändert. Jehan ist noch der Doktor (wegen „Schwester Jette“, harr) und er wird nicht mehr verprügelt, das findet er wohl ganz gut.

Ansonsten ist er etwas anhänglicher geworden, er kommt oft an und klettert auf meinen Schoß und sitzt dann da. „Mepp“

Mehr tut er nicht, nur sitzen und kucken. Ja, das irritiert. Und er kann das nicht nur auf dem Schoß, sondern auch im Bett. Da hockt er dann neben mir und kuckt. Bis er genug hat und wieder ins Wohnzimmer auf seine Couch geht. Hm.

Neuerdings hat er noch eine Angewohnheit entwickelt, die ich so mittel finde. Der kleine Doktor kackt überall hin. Das hat er zwar manchmal auch schon vor Jettes Tod gemacht, aber nun scheint es eine Challenge zu sein, wo er den größten Haufen hinkacken kann.

In den Flur? Ins Schlafzimmer? Auf die Couch? Seufz.

Mit Wohlwollen bemerkte ich, dass er anfing, ins Badezimmer zu kacken. Ich dachte so bei mir, da ist ja eine Toilette, vielleicht klappt er bald den Deckel hoch und dann ist ja alles gut.

Ich bin sehr gespannt.

Bis es soweit ist, bin ich achtsam, wohin ich trete.

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