Lotti live aus dem Panikraum unter dem Bett. Nachtrag zu Silvester.

Die spinnen doch, die Menschen. Das habe ich schon immer gesagt, aber an Tagen wie diesem Samstag vor einer Woche, da liefern die Menschen so viele Beweise dafür, dass sie spinnen, dass Spinnen als Bezeichnung schon fast nicht mehr ausreicht.

Ja, hier schreibt Lotti, und zwar von unterm Bett aus. Seit besagtem Samstag vor einer Woche habe ich mir hier meinen Panikraum eingerichtet, in den ich mich – rein vorsichtshalber – bei der kleinsten Unregelmäßigkeit und jedem Geräusch, das ich nicht sofort zuordnen kann, zurückziehe. Wie Sie sehen, habe ich mir hier Strom gelegt und WLAN und einen kleinen Notvorrat an Tütchen und Snacks und natürlich auch einen Abzweig von der Wasserleitung. Dafür gab es genügend Youtube-Videos als Anleitung.

Man weiß ja nie, wann die Menschen das nächste Mal anfangen, durchzudrehen. Das gibt auch die Menschin zu und selbst Leo, die immer so tut, als könne sie nichts erschüttern, rennt nicht mehr immer zur Wohnungstür, wenn draußen jemand vorbeigeht, sondern zieht sich eher in die hinteren Räume der Wohnung zurück… oder sogar unter das Bett, um mal zu gucken, wie viele Personen hier in dem Panikraum denn wohl Platz fänden (Antwort: Nur eine. Ich.).

Auf jeden Fall habe ich es mir aufgeschrieben und werde versuchen, mich daran zu erinnern, dass Weihnachten ein Alarmzeichen ist. Wenn Weihnachten ist, dann dauert es nicht mehr lange bis zu dem schrecklichen Tag, an dem sie alle so tun, als wäre Krieg, und Raketen abschießen und versuchen, den Tieren dieser Welt mal so richtig das Fürchten beizubringen. Dann muss ich die Vorräte unterm Bett aufstocken und überprüfen, ob der Panikraum noch den Anforderungen entspricht.

Von den Tauben im Hof habe ich gehört, dass einige der kleineren Vögel, die hier normalerweise recht friedlich und unbehelligt leben, vor Schreck gestorben sind, als die Menschen mit dem Schießen angefangen haben. Einfach so, sie sind tot vom Himmel gefallen.

Da bleibe ich doch lieber unterm Bett. So lange wie es eben dauert.

Und der kleine Hund von gegenüber hat sich so erschrocken, dass er seit dem besagten Samstag nicht mehr vor die Tür will und einfach auf die Badematte pinkelt und kackt. Nicht weil er die Badematte so toll findet, sondern weil er bei dem Gedanken an Gassigehen einfach schlecht wird vor Angst. Was das wieder an Therapeutenstunden kostet! Und an Badematten!

Zum Glück ist die Menschin an diesem schrecklichen Abend, an dem es überall geblitzt und gedonnert hat, nicht rausgegangen. Dann würde sie jetzt vermutlich auch auf die Badematte… oder heulend in der Ecke sitzen oder sich ihren eigenen Panikraum bauen oder was weiß ich denn? Sie war jedenfalls auch furchtbar genervt von dem Geballer, ist aber oben auf dem Bett geblieben, unter der Decke, und hat ganz viel Schokolade gegessen.

Für Leo und mich hatte sie eine Tüte Snacks mit ins Bett gebracht, ums uns zu trösten. Leo fand das super, aber ich habe lieber verzichtet, solange ich nicht ganz sicher war, dass nicht wieder dicht neben uns ein Knallding einschlägt. Das heißt, Leo hat die Tüte mehr oder weniger allein verputzt. Danach hat sie ins Wohnzimmer gekotzt, auf die Schmusedecke und die Unterlagen der Menschin, die da noch rumlagen.

Und ich war da in meinem Panikraum mit meinen Noise-Cancelling-Kopfhörern und habe gewartet. Es hat ewig gedauert, bis in der Nacht endlich Ruhe war, aber ich hätte noch länger gewartet, wenn es nötig gewesen wäre. So leichtsinnig bin ich einfach nicht, dass ich in die Küche gehe, während sie auf uns schießen. Da kann Leo sagen, was sie will.

Die Menschin hat versprochen, dass es jetzt erstmal wieder ganz lange dauert und keiner Raketen auf uns abfeuern wird. Und dass sie mich daran erinnert, dass Weihnachten ein Alarmzeichen ist. Ich hoffe, sie vergisst das nicht, denn ich muss ja rechtzeitig genug Tütchen unters Bett schaffen und Katzenmilch und ein besseres Kopfkissen.

Mit Menschen, die dieses sogenannte Feuerwerk toll finden oder gar selbst welches veranstalten, möchte ich nichts zu tun haben. Die spinnen doch nicht nur, sondern die sind komplett dem Wahnsinn verfallen. Wer weiß, was die noch tun würden, um eine kleine harmlose Katze zu erschrecken und in den Wahnsinn zu treiben? Und Vögel und Hunde und ganz viele andere Tiere und vielleicht sogar andere Menschen, die das auch nicht lustig finden? Und nicht jeder hat seinen eigenen Panikraum oder jemanden, der einen hat und noch Bedürftige aufnimmt, so wie ich, denn wenn es ganz schlimm käme, würde ich Leo und die Menschin schon mit reinlassen. Bloß ihre Tütchen müssten sie sich dann selbst mitbringen. Aber ansonsten bin ich Kumpel und gegen die Verrückten müssen wir schließlich zusammenhalten, nicht wahr?

1 Kommentar

  1. Oh weh, wie furchtbar! Die Ammancats waren nach dem Lesen ganz aufgeregt, haben eine Versammlung abgehalten und beschlossen, euch für nächstes Silvester Asyl anzubieten. Hier haben alle ab 22 Uhr friedlich geschlafen – es hat nirgendwo in der Nähe geknallt. Klar, so ein paar Spinner gibt es irgendwo in der Stadt auch, aber nicht in unserem Viertel! Das sollten die sich mal trauen.
    Gez. Amy und die Ammancats.

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