Miau! oder: Die Heizung bleibt an.

Jehan hat sein Körbchen, das seit Jahren gemütlich unter dem Mehrzwecktisch an der Heizung steht, weiter in die Zimmerecke gezogen. Das ist kein Zufall. In dieser Ecke an der Heizung unter dem Tisch befindet sich nämlich der Regler der besagten Heizung. Auch ohne Jehan im Körbchen nicht leicht zugänglich für einen fast zwei Meter großen Mann, nicht einmal ohne den zahnlosen Zerberus Jehan. Mit ihm aber eigentlich komplett unerreichbar. Und so soll es auch sein, sagt Jehan. Die Heizung ist nämlich eingeschaltet und der Regler steht zwischen 3 und 4. Und das ist nicht verhandelbar, sagt Jehan. Und Jette, vom Sofa aus, wo sie auf dem eigentlich gar nicht vorhandenen Bauch des großen freundlichen Mannes balanciert, bestärkt das: Nicht verhandelbar.

Eigentlich auch nicht verhandelbar, fährt Jette fort, ist die Anwesenheit des großen freundlichen Mannes, denn nur durch seine Körperwärme in Kombination mit der eingeschalteten Heizung ist für eine vornehme Katze wie sie, also mit seidigem und komplett filzfreiem Fell, das Überleben in der kühleren Jahreszeit möglich. Da trifft es sich gut, dass der große freundliche Mann nach der Kiefern-OP diese Woche gerade bläulich verfärbte Hamsterbacken hat und die Wohnung nicht verlassen kann. Und dass er es in der Phase der Rekonvaleszenz auch gerne warm hat. Um diese Phase noch ein wenig zu verlängern, hat Jette beschlossen, dass Dr. Jehan Jehanski am Wochenende bei Youtube einen Schnellkurs „Kiefernchirurgie leicht gemacht“ absolvieren wird, damit er den großen freundlichen Mann durch eine weitere Kiefern-OP, die eventuell nachts im Bett und eher heimlich stattfinden wird, noch in paar Tage länger davon abhalten kann, das Haus zu verlassen.

Da Schwester Jette ihrem Bruder bei dieser Operation zur Pfote gehen wird, besteht keinerlei Gefahr, auch wenn Herr Dr. Jehanski eigentlich kein Blut sehen kann und möglicherweise in Ohnmacht fällt. In diesem Fall wird Schwester Jette die OP fachkundig zu Ende bringen. Sagt Schwester Jette.

Der große freundliche Mann sagt nichts, wirkt aber etwas bleich. Das kann aber auch daran liegen, dass ihm trotz aufgedrehter Heizung und Jette als lebender Wärmflasche ein bisschen fröstelig zumute ist. Aber das wird schon, sagt Jette. Hauptsache, die Heizung bleibt an. Alles andere wäre grob fahrlässig, sagt Dr. Jehan Jehanski, und: Dafür duschen wir nur ganz selten und sparen somit ganz viel Energie.

In Hamburg, im Zuhause der dicken Fräuleins Lotti Miez und Leonie Mau, ist die Lage eine andere: Zwar sind die Heizkörper in den Zimmern auch hier eher schwer bzw. nicht ohne Weiteres zugänglich, aber an den Hauptschalter der Gastherme in der Küche kommt die dicke freundliche Frau ohne Weiteres heran. Und viel zu oft. So wird im Hause Keinzahnkatzen derzeit meist nur abends für wenige Stunden die Heizung angeschaltet, denn beim Heimkommen, so sagt die dicke freundliche Frau, da merkt sie immer besonders, wie kühl und klamm es in der Bude schon wieder ist. Die Wäsche auf dem Wäscheständer trocknet nicht und die Klobrille ist eiskalt. Sagt die dicke freundliche Frau.

Im Katzenklo gibt es keine Brille, die eiskalt werden könnte, und das ist auch gut so. Sagen Lotti und Leonie. Die beiden sagen aber auch, dass in ihrer Wohnung skandalös wenig geheizt wird und sie nichts dafür können, wenn ihr Winterfell dieses Jahr aussehen wird wie das Winterfell einer sibirischen Waldkatze bzw. zweier sibirischer Waldkatzen. Die dicke freundliche Frau findet das nicht weiter schlimm. Was sie aber ein bisschen gemein findet von den beiden flauschigen Fräuleins, ist, dass diese alles – ALLES – tun, um sie, also die dicke freundliche Frau, abends davon abzuhalten, die Heizung mittels des Hauptschalters an der Gastherme in der Küche wieder auszuschalten, bevor sie ins Bett geht. Indem sie auf ihr herumliegen und unfassbar niedlich äh gefährlich aussehen, zum Beispiel. Oder indem sie Kotzehäufchen und kleine Katzenkackekrümel auf dem Weg zur Küche „verlieren“, denn dann muss die dicke freundliche Frau erst putzen und vergisst meist völlig, warum sie eigentlich aufgestanden war. Das fällt ihr erst wieder ein, wenn sie längst gemütlich im Bett liegt und es ihr noch schwerer fällt als sonst, sich noch einmal in die Senkrechte zu begeben. Wobei zu ihrer Ehrenrettung angemerkt werden muss, dass sie es meistens doch tut, denn sie hat Angst vor der Gasrechnung im nächsten Jahr. Wahrscheinlich zu Recht, merken die dicken Fräuleins an, aber das ist ja nun wirklich nicht unser Problem.

In beiden Haushalten hat sich die Anzahl der in Benutzung befindlichen Woll- und Schmusedecken drastisch erhöht. So sehr, dass manchmal sogar die Menschen welche abbekommen. Meistens aber nicht, also zum Beispiel dann nicht, wenn sie erst nach Hause kommen, nachdem die Katzen es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht haben. Also eigentlich jeden Tag. So frieren die Menschen halt weiter, völlig winterfellfrei, dafür aber notgedrungen mit wachsenden wärmenden Speckschichten, die – weil nun einmal am Körper festgewachsen – nicht von den Katzen annektiert werden können. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal unter den wärmespendenden Hilfsmitteln in diesem Winter wohlgemerkt und deswegen sozusagen unverzichtbar. Sagt die dicke freundliche Frau.

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