Nicht hier, nicht da.

Ja, ich vermisse Twitter. Nicht so sehr das Twitter, von dem ich mich vor einigen Wochen verabschiedet habe, sondern das gute alte Twitter von vor ein paar Jahren. Das Twitter, das mich so viele Jahre begleitet hat, mich mit so vielen Menschen, Tieren und Ideen bekanntgemacht hat, von denen ich vorher vielleicht noch nicht wusste, dass ich sie brauchte, die mir aber dann überraschend wichtig wurden. Das Twitter, das immer da war, zu jeder Tages- und Nachtzeit, wann immer ich das Gefühl brauchte, nicht allein zu sein auf dieser Welt. Das Twitter, das kein Chat sein wollte, und das sich doch nach ständigem Austausch anfühlte. Ganz ohne dass ich ständig hätte interagieren müssen, ein Twitter, in dem ich die Accounts, die mir ans Herz gewachsen waren, doch immer im Auge hatte und ein Gefühl dafür, wie es den Menschen – und Tieren – hinter den Accounts wohl gerade ging.

Ich vermisse dieses Twitter schmerzlich, denn dieses Twitter gibt es nicht mehr. Auch wenn ich meinen noch nicht gelöschten Account dort wiederbeleben würde – was ich derzeit nicht vorhabe – ich würde dieses gute alte Twitter so ja nicht mehr vorfinden. Es hatte sich verändert, gewandelt, schon lange, bevor Elon Musk ins Spiel kam und mir den Spaß an diesem sozialen Netzwerk endgültig verdarb.

Viele der Accounts, die Twitter für mich zu einem Ort machten, an dem ich sein wollte, sind nicht mehr aktiv oder haben Kehrtwendungen hingelegt. Weg vom persönlichen Gute-Laune-und-Tröste-Twitter, hin zum möglichst unangreifbaren Statement-Raushauen, das am besten dann funktioniert, wenn man immer schön alle interaktionswilligen Accounts, die einem nicht in den Kram passen, blockiert und am besten bei allen Tweets, die eventuell missverstanden werden könnten – und das sind ja die meisten – die Antwortmöglichkeiten einschränkt.

Das ist aber nun so gar nicht meins.  Ich streite mich nicht gerne und ich blocke nicht gerne. Durch eine halbwegs geschickte Auswahl – so dachte ich zumindest lange – der von mir gefolgten Accounts, meiner eigenen Interaktionen und meiner Reaktionen auf an mich gerichtete Replys und Mentions war das in der Vergangenheit auch nie ein großes Thema für mich. Sicher hat das damit zu tun, dass Katzenfotos und Hospizarbeit keine sehr provokativen Inhalte für die meisten User sind. Mit anderen Worten: Meine Tweets waren im Allgemeinen zu harmlos, um wütende Reaktionen oder überbordendes Mansplaining zu provozieren.

Das bewahrte mich allerdings nicht davor, in meiner Timeline ständig über diese Problematiken lesen zu müssen oder ewig lange Streit-Chats verfolgen zu müssen, weil ich dummerweise beiden Streitenden folgte. Oder noch besser: Weil von mir gefolgte Accounts solchen öffentlichen Streitigkeiten retweeteten. Warum? Das fragte ich mich oft.

Auch stark angewachsen war der Anteil an Vollidioten des öffentlichen Lebens, also Politikern, Promis und anderen Brufslaberköpfen. Sie wurden retweetet oder – noch lästiger und unästhetischer – mit Drüberkommis in meine Timeline eingeschleust. Davon abgesehen, dass ich noch immer der Meinung bin, dass wir den Vollidioten des öffentlichen Lebens, vor allem denen aus den falschen Lagern, so wenig Bühnen wie möglich bieten sollten und ihre Absonderungen nicht noch weiter in die Welt blasen sollten, halte ich Drüberkommis für den allerletzten Dreck und einen der Hauptgründe, warum Twitter (mir) keinen Spaß mehr gemacht hat. Sie zerstören einfach die Optik der Timeline. Wenn meine eigenen Tweets mit einem Drüberkommi retweetet wurden, hätte ich sie manchmal am liebsten gelöscht.

Aber auch das saubere Retweeten ohne eigenen Senf dabei verlor an Reiz, denn nach dem Retweeten eines kontroversen Tweets wurde man ja bis in alle Ewigkeit über die eingehenden Interaktionen benachrichtigt. Nicht meine Vorstellung von einem entspannten Miteinander, wirklich nicht.

Was mich an Twitter noch mehr und mehr genervt hat: Die Sensationslust von Zufallslesern („Oh, deine Katze ist gestorben? Ich kenne zwar weder dich noch deine Katze, aber ich möchte dir ein tiefempfundenes RIP entgegenschleudern und außerdem retweete ich dich, damit meine Follower, die auch weder dich noch deine Katze kennen, dir auch ein Beileids-Emoji schicken können!“). Warum? Warum meint jemand, der weder mich noch meine Katze kennt, mir kondolieren zu müssen? Wenn ich mit einem Account vorher keinen Austausch hatte, dann lasse ich ihn doch in einer solchen Situation, sollte ich von ihr erfahren, vielleicht einfach in Ruhe. Oder?

Es gibt noch einiges mehr, was mir an Twitter nicht mehr gefallen hat, aber eigentlich sollte dieser Blogpost ja davon handeln, dass ich Twitter vermisse. Weil es eben sehr lange Zeit überwiegend sehr schön für mich war.

Mastodon, das politisch korrekte Alternativnetzwerk, ist nett. Nicht mehr, nicht weniger. Vielleicht folge ich dort zu wenig Accounts, aber es scheint mir sehr ruhig. Der größte Teil der Postings in meiner Timeline besteht oft aus Reposts, die mich nicht übermäßig interessieren, aber okay: Vielleicht hat sich auch mein Geschmack verändert. Nachts ist nichts los, gar nichts. Und tagsüber nicht viel mehr. Ich trage auch nicht wirklich zur Belebung der Timeline bei: Meistens bleibt es bei meinem morgendlichen Katzentweet und den Rest des Tages fällt mir nichts mehr ein, was ich posten könnte oder möchte.

Ich habe schon darüber nachgedacht, meinen Account bei Instagram wiederzubeleben, weil da wenigstens ein bisschen mehr Leben herrscht, aber andererseits finde ich die Bilderlastigkeit der Darstellung dort langweilig und die Tatsache, dass ich weder reposten noch Blogposts verlinken kann, äußerst unbefriedigend. Mir ist nun einmal meistens das Wort wichtiger als das Bild.

Es ist alles sehr unbefriedigend, finde ich. Vielleicht ist das Internet 2.0 auch irgendwie vorbei und ich habe bloß noch nicht kapiert, wie die coolen Kids es heutzutage machen? Vielleicht bin ich auch endgültig zu alt, um ein cooles Kid sein zu wollen? Aber wenigstens die Katzenbubble, die will ich doch nicht verlieren, die brauche ich doch. Schließlich gäbe es dieses Internet gar nicht ohne die Katzen, da muss es doch eine Plattform geben, auf der sie und ihre Menschen sich austauschen können. Das wäre doch auch wichtig wegen der Weltherrschaft. Und überhaupt.

4 Kommentare

  1. Ich würde jedes einzelne Wort unterschreiben. Genau so gehts mir auch (mit dem kleinen Unterschied, dass ich ab und an noch auf Twitter bin – aber wohlfühlen geht anders)

  2. Instagram würde mich freuen. Reposten kann man doch über Stories und da kann man inzwischen auch Blogposts verlinken..
    Lieben Gruß, Andrea/Anja

  3. liebe bettina,
    nu bin ich ja wer, der drüwwerkwatscht, um den aspekt zu beloichten, wenner was rehtwietet, un ahuch kondoliert, wenner einem trAUernden begegnet, obwohl ern vorher nich kannte un nich folcht. schmach das, weilsch nich so tun kann, als hättsch das nich mitgekriecht. abär schwill müsch nich rechtfertigen. stut mir leid, wenn viele das stört. schmach das, was schmach um des austauschs willen. nich um zu ärgern.
    alles andre kannsch voll unnerschreiwe…bloß isses hier halt nüsch wie beide stadtmusikanten. denn etwas besseres finden wir nich übärall. etwas bessres könnwer nur erschaffe…wo immer auch

    schweiß, das hülfz nüsch wirklich. un mantschma ver2fell ich ja selbz drAhn
    abär schab k1andre wahl .. . also katze kraule un weider

  4. Wir vermissen dich auch, der Pepe und ich.
    Wir würden gerne sagen, komm einfach zurück und versuchs nochmal.
    Aber das wird nichts nützen, also sagen wir nix.

    Wir haben uns bei Twitter so gut wie eben möglich eingerichtet, kommen nicht zurecht auf diesem Mastodon. So nett wie auch alle dort sein mögen.
    Wenn Twitter gar nicht mehr für uns funktionieren sollte, dann werden wir gehen. Aber erst dann – und alternativlos.
    Lass dich grüßen und beschnurren, und manchmal gucken wir nach euch, aber…..?
    Pepe und die FF

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