Mein Zeitmanagement ist lausig. War es eigentlich schon immer. Entweder der Tag hat zu viele Stunden (eher selten) oder zu wenig (meistens). Genau richtig viel Zeit ist eigentlich nie.
Weil ich morgens immer so müde bin, viel müder als abends beim Schlafengehen, stehe ich grundsätzlich so spät wie möglich auf und muss mich dann immer ranhalten, um rechtzeitig fertig zu werden und loszukommen. Das führt dazu, dass beim Fertigwerden und Loskommen nichts Unvorhergesehenes passieren oder gar schiefgehen darf. Dann habe ich nämlich keinen Zeitpuffer, um die verlorenen Minuten wieder einzuspielen. Wenn also morgens jemand anruft, den ich nicht ignorieren kann, die Gastherme ausfällt, eine Katze auf meinem Schoß so unglaublich niedlich aussieht oder mein linker Schuh verschwunden ist, dann komme ich zu spät zur Arbeit. Ganz einfach.
Einfach etwas früher aufstehen ist keine Lösung, weil ich dann vor lauter Aufregung darüber, dass mein Wecker am Morgen früher als sonst Laut geben wird, nicht schlafen kann. Wenn ich tatsächlich mal ganz frühe Verpflichtungen habe, ist das immer ein Riesenkrampf für mich und ich brauche meist zwei oder drei Tage, bis ich mich vom frühen Aufstehen wieder erholt habe.
Früher ins Bett gehen ist übrigens seit einigen Jahren kein Problem mehr. Oft falle ich sowieso kurz nach der Tagesschau vor Müdigkeit vom Sofa. Deswegen bin ich morgens aber auf gar keinen Fall früher wach.
An einen Job, für den ich früh aufstehen muss, könnte ich mich – nach so vielen Jahren in Gastronomie, Einzelhandel und Kultur mit halbwegs akzeptablen Beginnzeiten – einfach nicht mehr gewöhnen, da bin ich ganz sicher. Mal davon abgesehen, dass ich das auch nicht wollen würde, denn Aktivität oder gar energiegeladene gute Laune am frühen Morgen sind mir ausgesprochen suspekt.
Im Hospiz fangen viele meiner Kolleg*innen morgens früher an als ich und machen dafür am Nachmittag auch früher Feierabend. Es ist aber für niemanden ein Problem, dass ich etwas zeitversetzt arbeite – schließlich habe ich ja auch häufiger mal spätnachmittags und abends noch Termine, die nicht morgens stattfinden könnten. Und am späten Nachmittag noch eine oder zwei Stunden ungestört kräftig ranklotzen zu können, ist auch ganz angenehm, finde ich. Wenn ich es in der Zeit schaffe, irgendeine Aufgabe erfolgreich abzuschließen, gehe ich anschließend mit einem zufriedenen Gefühl in den Feierabend. Falls das nicht klappt, beende ich den Tag damit, mir eine möglichst machbare To-Do-Liste für den nächsten Tag zu schreiben. Dass der Tag immer zu wenig Stunden hat und nie wirklich alles fertig wird, versteht sich ja sowieso von selbst.
Was neu für mich ist, ist das Zeitmanagement bei den Terminen, die ich mir jetzt selbst einplane. Zwar habe ich jahrelang die Termine anderer Leute geplant, aber das ist ja was völlig anderes: Chefs kann und muss man ja ein bisschen hetzen, das weiß man ja, das ist ja bekannt. Aber mich selbst will ich nicht hetzen, das ist nicht mein Stil und außerdem bin ich aus dem Alter raus, in dem ich davon profitiert hätte. Zeitdruck ergibt sich ja immer mal wieder, weil kurzfristig was zu regeln ist, aber grundsätzlich komme ich ganz gut ohne aus.
Dass es tatsächlich ganz guttut, die eigenen Termine klug zu planen und insgesamt vielleicht eher weniger als mehr, ist eine interessante Erkenntnis. Und noch was habe ich festgestellt: Wenn ich anspruchsvolle Telefonate auch als Termine betrachte, in meinen Kalender schreibe und dann vorbereitet durchführe, sind sie weit weniger gruselig als ungeplante Anrufe von Menschen mit schwierigen Anliegen. (Was mich allerdings noch immer aufregt, sind Rückrufbitten von Menschen, die dann nicht zu erreichen sind und keine Mailbox benutzen!).
Um auch bei Präsenzterminen die Zeit im Blick behalten zu können, habe ich mir, weil ich momentan mal wieder keine Armbanduhr trage, eine fantastische App aufs Smartphone geladen: die Riesige Digitaluhr. Genau das, was ich brauche, wenn ich irgendwo im Raum am Rande meines Sehfeldes eine Uhr aufstellen möchte, auf die ich schauen kann, ohne dafür irgendwelche unauffällig-auffälligen Manöver einzuleiten. Bei Trauergruppen oder -einzelgesprächen ist so ein als Uhr verkleidetes Smartphone Gold wert. Ich zeige sie den Teilnehmenden manchmal auch ganz stolz und alle sind immer sehr beeindruckt (und verstehen sogar, warum ich sie brauche). Denn einerseits ist es schließlich meine Aufgabe, auch die Zeit im Blick zu haben. Andererseits will aber niemand dabei zusehen, wie ich ständig auf die Uhr gucke. – „Nein, nein, Ihre Ausführungen langweilen mich ganz und gar nicht. Mein Zeitmanagement ist nur lausig.“
Dass die Zeit mit zunehmendem Lebensalter immer schneller und schneller vergeht, ist Ihnen sicherlich auch schon aufgefallen, oder? Ich finde oft, sie rast geradezu. Gerade war noch gestern, da ist es eigentlich schon übermorgen. Und ich habe gerade erst mühsam ein Auge aufgeklappt und frage mich, wieso ich schon wieder zu spät dran bin. Und eine von den Katzen hat meinen linken Schuh gegessen. Ich werde also spät dran sein, wie eigentlich immer. Das dann aber mit voller Überzeugung.