Und was machen Sie tagsüber? Miau.

„Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag, wenn ich nicht zu Hause bin?“

Fragen Sie das Ihre Katzen auch manchmal? Und wenn ja, was antworten die Katzen dann? Oder falls nicht, warum nicht? Interessiert Sie denn gar nicht, was bei Ihnen zu Hause so alles stattfindet, während Sie Ihren täglichen Außer-Haus-Verpflichtungen nachgehen? Finden Sie nicht gelegentlich beim Heimkommen geheimnisvolle Spuren mysteriöser Aktivitäten, von denen nichts im Handbuch stand und von denen die Katzen Ihnen freiwillig auch nichts erzählen? Spuren wie abgeräumte Regale, ausgekotztes Katzengras, ausgerupfte Fellbüschel, geschreddertes Papier, zerfledderte Briefträger, die sich zu weit durch den Briefschlitz gelehnt haben, Gegenstände, die Sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen haben, oder auch nicht (mehr) identifizierbare Kleinteile wie verschleppte Essensreste, lang verschollene Lippenstifte von vor vier Saisons oder seltsam verformte Schokoteilchen, die sich bei näherer Betrachtung als Nicht-Schokolade erweisen? Eben. Die finden Sie auch. Und es ist Ihnen trotzdem egal, wie die wieder in den allgemeinen Fokus geraten konnten?

Ich möchte immer gerne wissen, wo der Lippenstift vier Jahre lang gelegen hat oder ob der Briefträger vielleicht in Wirklichkeit ein Einbrecher gewesen ist. Und noch lieber wüsste ich, was die Katzen den ganzen Tag über gemacht haben.

Ja, ich habe eine Catcam. Damit kann ich die geheimsnisvollen Mitbewohnerinnen stalken, aber eben nur, wenn sie sich im Radius der Kamera aufhalten. Das tun sie im Allgemeinen nur, wenn sie hungrig sind, sehr hungrig. Dann sitzt Frl. Lotte Miez manchmal sogar direkt vor der Kamera, mauzt kläglich und deutet mit ausgestreckter Pfote in Richtung Küche. Bevor sie aber so schrecklich hungrig ist, lässt sie sich meistens stundenlang nicht vor der Kamera sehen, sondern verbringt Stunden über Stunden in anderen Räumlichkeiten der Wohnung. Oder in einem Geheimversteck. Wer weiß das schon? Eventuell gibt es sogar auch in meiner Küche einen geheimen Fluchttunnel, dessen Eingang sich hinter der Blende des Wühlschranks neben dem Kühlschrank befindet und den ein gewitztes äh gewisses Frl. Leonie Mau in Sekundenbruchteilen freilegen und auch wieder verbergen kann?

Was sagen Sie da? Ich bilde mir das alles nur ein? Katzen schlafen an die 18 Stunden täglich und davon wahrscheinlich den größten Teil, während ich unterwegs bin?

Unsinn, erwidere ich. Die Katzen schlafen nachts, wenn ich schlafe, eine neben mir im Bett, eine auf dem Korbstuhl gegenüber oder auch im Wohnzimmer – das hängt davon ab, wieviel Konkurrenzgerangel gerade zwischen den beiden Schwestern herrscht. Manchmal, wenn sie sich gerade nicht nicht leiden können, schlafen sie auch beide bei mir im Bett. Acht Stunden und länger, wenn man sie lässt. Und wenn ich tagsüber zu Hause bin, schlafen sie schließlich auch nicht durchgehend. Natürlich machen sie pro Stunde ein bis zwei Powernaps, aber sehr lange an einem Ort liegen und pennen, das tun sie nicht. Stattdessen wandern sie von Raum zu Raum, von Sitzgelegenheit zu Sitzgelegenheit und von Fenster zu Fenster. Nicht eilig, aber beständig. Wenn morgens die Sonne vorne scheint, dann sind sie vorne. Wenn mittags im Hof die Müllabfuhr kommt, dann schauen sie hinten aus dem Fenster und feuern die orangebewesteten Kollegen an. Wenn nachmittags der strubbelige Fiete aus der zweiten Etage fröhlich kläffend Gassi geführt wird, dann schnüffeln sie von drinnen an der Wohnungstür herum und denken sich neue Beschimpfungen aus.

Das alles machen sie auch, wenn ich nicht zu Hause bin, da bin ich sicher. Aber was machen sie in der Zeit, in der sie mir auf dem Klo oder beim Duschen zugeschaut hätten, mich von der Arbeit am Schreibtisch abhalten oder beim Lesen auf dem Sofa mit mir schmusen würden – wenn ich nur da wäre. So wie ich sie kenne, sitzen sie nicht traurig da und sagen: Ohne Bettina machen wir gar nichts. Wir warten. So sind Katzen nicht. Ihnen ist ja nie langweilig. Sie sind immer sehr beschäftigt. Bloß: Womit?

Natürlich frage ich beim Nachhausekommen immer: Wie geht es euch? Wie war euer Tag? Was habt ihr gemacht? Möchtet ihr darüber reden. Aber dann grinsen sie immer nur mysteriös und schweigen und verlangen Abendessen.

Manchmal möchte ich Mäuschen spielen und ganz klein und unerkannt in der Wohnung mit den Katzen allein sein. Dann fällt mir wieder ein, dass das eventuell ungünstig für mich sein könnte, weil Lotti möglicherweise erst zuschlägt – „MAUSALARM!“ – und dann fragt, ob wir uns schon mal irgendwo begegnet sind.

Ich werde wohl mit der Ungewissheit leben müssen. Aber es fällt mir schwer. Sehr schwer. Ich meine, eventuell haben Lotti und Leo einen geheimen Twitteraccount, auf dem sie lustige Menschenfotos (also, vor allem Bettina-Fotos) mit blöden Sprüchen posten. Und massenhaft Follower. Ich meine, SIE würden mir das doch sagen, oder? ODER?

3 Kommentare

  1. Natürlich würde ich Dir das sagen!!
    Btw, unser Wühlschrank befindet sich unter dem Kühlschrank..
    Vielen Dank für die Wortkreation
    Unsere Katzen zoffen sich wahrscheinlich den ganzen Tag, wenn sie in einem Raum sind. Meine Katze kann den Kater nicht leiden ‍♀️
    Manchmal ignoriert sie ihn auch und dann liegen sie möglichst weit voneinander entfernt (in einem 20qm Raum geht das) und schlafen.
    Liebe Grüße und schönen Sonntag,
    Andrea/Anja

  2. Ich dachte immer diese Fragen würden sich nur bei FreigängerInnen stellen. Wohl weit gefehlt. Den Tagesaufenthaltsort meines Streunerkaters erkenne ich an den fremden Waschmitteldüften in seinem Fell. Aber nicht was er da treibt. (Ausser fremde Wäsche vollzuhaaren)

  3. Ich dachte immer diese Fragen würden sich nur bei FreigängerInnen stellen. Wohl weit gefehlt. Den Tagesaufenthaltsort meines Streunerkaters erkenne ich an den fremden Waschmitteldüften in seinem Fell. Aber nicht was er da treibt. (Ausser fremde Wäsche vollzuhaaren)

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