Unfreiwillige Zeitvertreibe, Teil 329: Korrespondenz mit der Krankenkasse

Ich bin ja manchmal etwas dickfellig und brauche ein bisschen, um Dinge zu kapieren, aber eine Sache habe ich in der letzten Zeit gelernt: Wenn ein Mitarbeiter der Krankenkasse meiner Mutter sagt: „Das ist gar kein Problem!“, dann habe ich ein Problem. Wenn ein Mitarbeiter der Krankenkasse meiner Mutter sagt: „Ich schicke Ihnen schnell den Antrag, den füllen Sie dann schnell aus, schicken ihn schnell zurück und dann ist das alles ganz schnell geregelt!“, dann heißt das: In meiner Post findet sich mehrere Tage lang nichts von der Krankenkasse, dann kommt ein anderer Antrag als besprochen und völlig egal, ob ich diesen schnell oder langsam, richtig oder falsch ausfülle: Nichts wird schnell oder gar einfach geregelt.

Wenn ein zuständiger Mitarbeiter der Krankenkasse meiner Mutter etwas zu mir sagt, dann meistens am Telefon und auf nette Weise. Vorher habe ich dann allerdings schon eine Weile in verschiedenen Warteschleifen verbracht und mindestens einem, wahrscheinlich aber eher zwei vorgeschalteten und nicht besonders netten Telefon-Empfangs-Mitarbeitern die Versicherungsnummer meiner Mutter, den Grund meines Anrufes, die Begründung für meine Zuständigkeit sowie ein halbes Dutzend meiner persönlichen Daten vorgetragen.

Meistens spreche ich, sofern mein Anruf nicht abgeschmettert wird, dann mit Mitarbeitern der Pflegekasse. Diese scheinen mit der Krankenkasse an sich nicht viel zu tun zu haben, sie sind zu anderen Zeiten erreichbar (die aber weder auf der Website noch in der Korrespondenz angezeigt werden) und es scheint keinen Informationsaustausch zwischen den beiden Komponenten zu geben. Ich vermute, dass in der Hamburger Niederlassung nicht mehr als vier Sachbearbeiter in der Pflegekasse tätig sind; ich bekomme sie reihum und immer abwechselnd ans Telefon. Es ist aber – selbstverständlich! – nicht möglich, mit einer bestimmten Mitarbeiterin verbunden zu werden, nur weil ich mit dieser gestern schon sprach und sie mit meinem Anliegen bereits vertraut ist.

Egal, weswegen ich anrufe, es läuft immer darauf hinaus, dass mir – ganz schnell und total unbürokratisch – ein Antrag geschickt werden soll. Beim tagelangen Warten auf den Briefträger habe ich mal nachgeschaut, auf der Website der Krankenkasse gibt es auch einen Downloadbereich – die dort verfügbaren Antragsformulare stammen aber im Allgemeinen aus dem vorigen Jahrhundert oder zumindest aus der Zeit vor der letzten Pflegereform. Im Grunde ist es aber vollkommen egal, ob ich diese Formulare benutze oder die mir zugesandten Exemplare – sie sind beide gleichermaßen ungeeignet für das, was ich gerne beantragen/mitteilen/erfahren möchte.

Die Anträge, die ich einreiche, bestehen – nach längerer Überlegung meinerseits – normalerweise aus einem Antrag, in dem wenig angekreuzt und ausgefüllt, dafür aber umso mehr gestrichen und handschriftlich ergänzt ist. Manchmal schreibe ich als Anhang auch einfach noch einen Brief, in dem ich mein Anliegen erläutere.

Da die Mitarbeiter der Pflegekasse offenbar eine Zusatzausbildung zum Thema „Wie missverstehe ich richtig?“ erfolgreich abgeschlossen haben, braucht es meistens mehrere Anläufe, bis meine Anträge bearbeitet werden. Dass das, was ich im ersten Anlauf eingereicht habe, falsch/nicht ausreichend/unverständlich ist, erfahre ich selbstverständlich nur, weil ich irgendwann nachfrage, und nicht, weil man mich darüber in Kenntnis setzen würde, dass der Antrag „so“ jedenfalls nicht bearbeitet werden kann.

Wenn es dann irgendwann tatsächlich dazu kommt, dass die Pflegekasse meiner Mutter etwas bewilligt oder gar Kosten übernimmt bzw. rückerstattet, dann empfiehlt es sich grundsätzlich, noch einmal alle Fakten und vor allem die Daten gründlich zu überprüfen. Im letzten Jahr wären meiner Mutter wegen eines versehentlich falsch ins Krankenkassen-System eingepflegten Datums fast tausend Euro Pflegegeld-Rückerstattung vorenthalten worden. Wobei in dem Fall allerdings ein formloser Anruf meinerseits genügte, um eine wortreiche Entschuldigung einer reizenden Pflegekassen-Mitarbeiterin zu hören… die Schriftstücke mit den korrekten Daten und Beträgen waren dann ausnahmsweise auch schon am nächsten Tag in der Post.

Ich bin eine halbwegs gebildete und einigermaßen selbstbewusste Person. Ich habe sowohl zu Hause Telefon und Internet wie auch in meinem Büro. Ich darf dringende geschäftliche Anrufe während der Arbeitszeit von meinem Büro-Schreibtisch aus erledigen. Mir steht ein Kopierer zur Verfügung, mit dem ich jeden Korrespondenz-Schnipsel mit der Krankenkasse fotokopiere, um mich bei Bedarf später darauf beziehen zu können. Ich weiß, wie man einen geschäftlichen Brief schreibt, und lasse mich auch am Telefon nicht leicht einschüchtern. Ich habe ein funktionierendes soziales Umfeld, das mich wieder zum Lachen bringt, wenn ich gelegentlich verzweifelt bin, wenn ich mal wieder Stunden mit bürokratischem Unsinn verbringen muss und scheinbar nichts dabei herauskommt. Ich kann googeln, weiß aber auch, wo ich anrufen kann und muss, wenn ich eine spezielle Auskunft brauche. Auf dem Konto meiner Mutter liegt genug Geld und ihre Witwenrente ist so unanständig gut, so dass ich nicht in Panik geraten muss, sofern sich eine Kostenrückerstattung um ein paar Tage/Wochen/Monate verzögert.

Trotzdem möchte ich manchmal schreien vor Ärger und den Kopf in den Sand stecken, weil ich die zeitverschwendende Idiotie dieser ganzen bürokratischen Vorgänge nur noch schwer aushalten kann. Und ich frage mich: Was machen Menschen, die weder meine Kenntnisse und Privilegien noch meine verhältnismäßig guten Nerven haben, kein Guthaben auf dem Konto und kein hilfreiches soziales Umfeld? Bekommen sie jemals einen Antrag bewilligt? Suchen sie sich Hilfe, wenn sie alleine nicht weiterwissen? Geben sie irgendwann auf und verzichten auf Leistungen, die ihnen sehr wohl zustünden? Kalkuliert so eine Krankenkasse das in ihrer mittelfristigen Finanzplanung möglicherweise von Anfang an ein? – Wenn ich mit meinen Überlegungen an dem Punkt ankomme, bin ich immer schon ziemlich wütend.

Weniger wütend als angenehm überrascht war ich allerdings gestern, als – im zweiten Anlauf – nun tatsächlich ein Kurzzeitpflegeantrag in der Post war (meine Mutter befindet sich mittlerweile seit drei Wochen im Seniorenheim und die Kurzzeitpflege ist in einer Woche vorbei). Bei genauerem Hinsehen stellte sich allerdings heraus, dass der Antrag nicht für meine Mutter vorausgefüllt ist, sondern für mich, jedenfalls steht nur mein Name drauf und von meiner Mutter weder der Name noch ihre Mitgliedsnummer. Meine Mitgliedsnummer fehlt allerdings auch, was jedoch damit zu tun haben könnte, dass ich bei dieser Krankenkasse gar kein Mitglied bin. Aber wer weiß das schon? Ich werde den Antrag mal ausfüllen, denke ich. Eine kleine Auszeit („Kind-ohne-Mutter-Kur“) käme mir durchaus gelegen und wenn die Krankenkasse meiner Mutter die Kosten übernähme, wäre das nach dem ganzen Hin und Her doch mal ein feiner Zug.

3 Kommentare

  1. Es ist aber auch sehr wichtig, dass Du genau den Text dem Geschäftsführer/Geschäftsstellenleiter der Krankenkasse zukommen lässt. Nur so bekommen die mit, wo was bei denen schief läuft. Ehrlich!

    Viel Kraft und Nerven weiterhin für Dich/Euch! <3

  2. Menschen, die sich nicht so kümmern können wie Du, bzw. niemanden haben, fallen einfach durchs Raster. Da werden Menschen schon mal obdachlos, wenn sie auf Grund längerer Krankenhausaufenthalte sowie ihres Gesundheitszustandes diesen ganzen Schrift- und Antragskram nicht händeln können.
    Ich denke nicht, dass die Kassen die Kostenersparnis durch Verschleppung und Ablehnung rundsätzlich zustehender Leistungen kalkulieren.
    Ich denke aber, dass man über die Anzahl der Mitarbeiter, deren Ausbildung/Fachwissen sowie die Organisation der Kundenkontakte udn Bearbeitungswege wissend in Kauf nimmt, dass ein gewisser Prozentsatz durchs Raster fällt.

    Alles Gute für Sie und Ihre Mutter

  3. Leider kenne ich solche Antragsgeschichten in abgewandelter Form auch. Bei meiner Krankenkasse bzw. Der meines Sohnes gibt es zum Glück viele kompetente Mitarbeiter. Aber es gibt ja nicht nur die Krankenkasse, mit der man es zu tun hat. Man hat eben seinen eigenen Alltag und den des pflegebedürftigen Angehörigen nebenbei zu bewältigen.
    Tatsächlich ist es so, daß ich alles wichtige und was uns zusteht, nicht von der Krankenkasse, somdern der Lebenshilfe erfahren habe. Die kennen sich extrem gut aus, sind immer auf dem neusten Stand und informieren auch ihre Kunden über das, was ihnen zusteht.
    So etwas müßte es auch für Senioren geben. Der VDK berät ganz gut. Ich denke schon, daß einige durch Unkenntnis oder durch anderes, z.b. Nicht genügend Energie, Kraft, Bildungsstand usw. nicht alles abrufen, was ihnen zustehen würde. Es ist eben eine Gruppe von Menschen, die oft nicht mehr selber für sich einstehen können oder bei Behinderung es nie konnten.
    Mit den Jahren wachsen dem ein oder anderen Ellenbogen Schoner oder Haare auf den Zähnen.
    Nur gut, wenn einem der Humor nicht ganz abhanden kommt!

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