Verpiss dich, Marie!


Olga schreibt:


Würden Sie eine fremde Frau ins Haus lassen, die zur Begrüßung grundsätzlich kreischt? Die ununterbrochen Japanisch redet und immer eine Übersetzerin im Gefolge hat, welche nur geringfügig weniger laut und etwas weniger Japanisch kreischt? Die ein Lächeln im Gesicht trägt, das so unecht wirkt, dass es selbst einer Katze, die ja per se auch eine Meisterin der tausend Masken ist, einen Schauer über den Rücken jagt?


Natürlich würden Sie diese Frau nicht in Ihre Wohnung lassen. Sie haben sich schließlich, bei aller Komplexbeladenheit durch menschliche Unzulänglichkeiten, einen Rest Selbsterhaltungstrieb und Würde erhalten. Denn – und das liegt ja wohl klar auf der Pfote – die Frau lügt! Vielleicht zwitschert sie: „Ich bin so freudig erregt, denn ich liebe Unordnung!“ – aber das meint sie nicht so. Sie liebt es, andere Menschen im Zusammenhang mit ihrer höchsteigenen Unordnung zu demütigen und zu belehren… und sie
letztendlich dazu zu bringen, diese Unordnung sogar selbst zu beseitigen. Weil sie sie nämlich schlicht nicht ertragen kann. Nicht einmal in einer fremden Bude.


Das kann es ja wohl nicht sein. Unordnung ist gut, wichtig, kreativ und ein Abenteuerspielplatz für eine aufgeweckte Katze, die täglich acht Stunden oder mehr allein zu Hause ist. Eine liebevolle Katze, die diese acht Stunden nutzt, um
1) ihre wichtigsten Triebe wie Schlafen an einem verbotenen Platz, Essen von Dingen, die nicht für sie bestimmt sind und Zerstören von langweiligen und überflüssigen Gegenständen (oder Gegenständen, die der Katze vermeintlich im Weg sind) auszuleben und
2) ihrem Menschen, der acht oder mehr Stunden ohne sie verbringen musste, einen wunderbaren Empfang und ein gemütliches Heim zu bereiten. Zum Beispiel durch spontanes Umdekorieren des Papierstapels auf der Kommode, Kotzen auf den Badvorleger, Abrollen der Küchenpapierrolle oder das Plattsitzen der Bügelwäsche (die danach garantiert nicht mehr gefaltet werden muss).
Die therapeutische Wirkung einer erfahrenen Hauskatze auf ihren berufstätigen Menschen und das gemeinsame Heim kann nämlich gar nicht genug gewürdigt werden. 

Wenn sich nun ein Mensch zum Aufräumen/Aussortieren/Ausmisten seiner Besitztümer aufrafft, dann doch bitte unter Anleitung seiner Katze. Statt die Dinge einzeln und nacheinander in die Hand zu nehmen und sich zu fragen, ob diese Berührung Freude entfacht, kann der Mensch auch einfach seine Katze fragen. Wir sagen – Kralle hoch oder Kralle runter – dann schon, was noch gebraucht wird und was überflüssig ist. (Ja, der Staubsauger kann weg und der Katzentransportkorb auch – oder macht er dir etwa Freude???).Und die kreischende Japanerin soll sich eine andere Art der Therapie suchen. Oder eine Katze als Beraterin anwerben, die ihr hilft, in ihrem Heim ein paar gemütliche Ecken zu schaffen, und das Sheng Fui oder wie das heißt so richtig fließen lässt. Dann müssen wir bei Netflix nicht immer ihr Kreischen hören und im Internet Berichte von Menschen lesen, die sich fragen, ob ihre Übergrößen-Jeans oder die Klinikpackung Kopfschmerztabletten hinten im Schrank nun wirklich Freude in ihnen entfachen. Wir – und unsere Menschen – haben wirklich anderes zu tun. Also: Verpiss dich, Marie! Hier wirst du nicht gebraucht!






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