Von Dithmarschen nach Oberneuland. Die Geschichte von Jette und Jehan. Teil 7.

„Aua!“, tönte es lautstark aus dem kleinen Badezimmer. „Verdammte Hacke, mein Knie!“

„Was denn jetzt?“, fragte Jehan, der wie meistens nicht so genau hingehört hatte, „die Hacke oder das Knie?“

„Das Knie“, murmelte die dicke freundliche Frau, die mühsam aus dem Badezimmer hoppelte und versuchte, ihr linkes Bein nicht zu belasten, „und seit wann verstehe ich die Katzensprache?“

„Seit du den ganzen Tag nur mit uns verbringst“, erwiderte Jette, die angesichts des Aufruhrs tatsächlich vom Sofa gesprungen war und nun in der Tür zum Wohnzimmer stand, „und es wurde auch dringend Zeit. Wir haben nun wirklich lange und gründlich genug mit dir geübt.“

Das schien wiederum zu viel Katzensprache für die dicke freundliche Frau sein; sie humpelte mühsam ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen, wo sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das linke Knie rieb.

„Das sieht wirklich ganz schön dick aus?“, befand Jette, die ihr gefolgt war und die Lage nun mit fachkätzischem Blick musterte.

„Nicht dicker als sonst“, erwiderte Leo, die auf dem Bett gelegen, um ein Powernäppchen zu halten, nun aber wieder voll im Einsatz war. „Sie nennt es Fettverteilungsstörung.“

„Was es nicht alles gibt, also bei den Menschen“, wunderte sich Jehan. „Aber ich habe auch oft Schwierigkeiten, Fett zu verteilen. Auf jedes Brötchen ein bisschen, hat meine Mama immer gesagt.“

Lotti kicherte geziert im Hintergrund, was in Leos Augen darauf hindeutete, dass sie der Unterhaltung bisher nicht wirklich gefolgt war. Aber bei dem Wort „Brötchen“ kam ihre Aufmerksamkeit schlagartig zurück.

Die dicke freundliche Frau saß noch immer jammernd und fluchend auf ihrem Bett: „Wie doof kann man eigentlich sein, sich auf dem Klo das Knie zu verdrehen? Das darf ja wohl nicht wahr sein.“

Die vier Katzen saßen im Flur und warfen sich gegenseitig besorgte Blicke zu.

„Hoffentlich kann sie noch aufstehen und in die Küche gehen“, sagte Lotti, „sonst bekommen wir ja nichts zu essen und müssen am Ende gar verhungern.“

„Dann fange ich eine Taube für dich, mein Täubchen!“, kündigte Jehan an, was bei Lotti weiteres Kichern auslöste.

Leo und Jette warfen sich einen Blick zu. Einen dieser Blicke… Sie wissen schon.

Auf dem Bett schien nun Bewegung in die Sache zu kommen: Die dicke freundliche Frau setzte beide Füße fest auf den Boden, jammerte ein bisschen, und fing dann an, den Oberkörper vor und zurück zu bewegen, um Schwung zu holen. Nach einigen Fehlversuchen kam sie dann tatsächlich auf die Beine, blieb aber gekrümmt und verkrampft stehen.

„Ich brauche Krücken“, stellte sie beiläufig fest, „gleich mal gucken, wo ich die bestellen kann. Aber erstmal brauche ich was zu trinken.“ Langsam und sich an Wänden und Türgriffen festhaltend humpelte sie los, in Richtung Küche.

Dort standen jetzt vier Katzen mit erwartungsvollen Gesichtern und machten aufgeregte Geräusche in dieser Art der Katzensprache, die auch die blödesten Menschen fast immer verstanden.

„Ihr habt Hunger?“, fragte die dicke freundliche Frau. „Natürlich habt ihr Hunger, ihr Armen. Und eure Klos muss ich auch noch saubermachen. Hoffentlich kriege ich das hin. Am besten wartet ihr draußen, solange ich hier herumwirtschafte.“

„Draußen?“, fragte Jette. „Ah, du meinst vor der Küchentür? Nun, das könnten wir natürlich tun – wenn du denn eine Küchentür hättest. Da es hier aber keine Tür gibt, hast du wohl keine Möglichkeit, uns aus der Küche zu entfernen, solange du hier mit Lebensmitteln hantierst.“

„Genau“, fügte Lotti hinzu, setzte sich vor ihren Futternapf und machte ein hungriges Gesicht.

„Mepp!“, sagte Jehan mit Bestimmtheit und stellte sich so in der kleinen Küche hin, dass niemand mehr in irgendeine Richtung an ihm vorbeigehen konnte.

Jette lief inzwischen Achten um die dicken freundlichen Beine der dicken freundlichen Frau und sah aus, als hätte sie ziemlich viel Spaß.

„Leute, ihr seid nicht hilfreich“, rief Leo, die tatsächlich auf der Türschwelle saß und somit nicht besonders im Weg war, „so kriegt sie doch nie was geregelt und wir nichts zu essen. Ich schlage vor, wir warten vor der Küche, ob sie nun eine Tür hat oder nicht, und warten. Und wenn sie versucht, die Küche zu verlassen, ohne uns vorher zu füttern, dann lassen wir sie einfach nicht.“

„Geniale Idee!“, sagte Jette bewundernd. „So machen wir es.“

„Mepp!“, sagte Jehan und stand sich, bei dem Versuch, die Küche zu verlassen, selbst im Weg.

„Aber ich habe so dollen Hunger!“, stöhnte Lotti, die den Platz vor ihrem Futternapf nur ungern aufgab. Widerstrebend und weil ihre Schwester herrisch mit der Pfote winkte, begab sie sich schließlich auch vor die Küchentür.

„Danke, das ist nett“, sagte die dicke freundliche Frau. „Ich mache erst eure Klos, anschließend stelle ich mir ein Wasser bereit, dann fülle ich euch Futter in die Näpfe und ziehe mich mit dem Wasser und dem Smartphone zurück aufs Sofa, so dass ihr die Küche für euch habt. Okay?“

„Beeil dich!“, schallte es aus vier flauschigen Kehlen zurück und die dicke freundliche Frau ging unverzüglich ans Werk. Ihr Knie tat höllisch weh und strahlte in alle Richtungen, so dass sie sich kaum bewegen konnte. Nichtsdestotrotz war ihr klar, dass die Versorgung der Katzen sichergestellt sein musste, bevor sie sich jammernd auf ein Sitzmöbel werfen konnte. Die Gefahr, sonst auf dem besagten Sitzmöbel von den Katzen gefressen zu werden, war einfach zu groß.

Fortsetzung folgt.

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