Von Dithmarschen nach Oberneuland. Die Geschichte von Jette und Jehan. Teil 8.

„Der Film ist langweilig!“, beschwerte sich Jette, „und außerdem haben wir ihn zu Hause schon gesehen. Können wir nicht bald ins Bett?“

„Geh doch!“, schlug Lotti vor, „aber nicht in unser Bett. Unser Bett, in dem wir mit unserer Menschin schlafen! Und mit wir meine ich natürlich mich. Manchmal, an sehr toleranten Abenden, dulde ich Leo am Fußende. Manchmal aber auch nicht.“

„Aber wir schlafen auch gerne im Bett“, maulte Jehan, „auch mit eurer Menschin in Vertretung unseres Menschen, der ja leider seine Nächte aktuell ganz ohne Katzen verbringen muss. Keine Ahnung, wie er das aushält. Aber wir sind hier und wir brauchen auch Kuschelkontakt.“

Jette rutschte auf dem Sofa unauffällig näher an die dicke freundliche Frau heran und legte eine Pfote auf ihren Oberschenkel. Der ja zum Glück recht ausladend war und mehreren besitzergreifend ausgestreckten Katzenpfoten Platz bot.

„Nichts da!“, giftete Lotti, die auf der anderen Seite der Menschin auf der Sofalehne tronte. „Die Frau gehört uns! Und das Bett auch.“

„Aber wenn ihr nicht bald das Sofa freigebt“, schaltete sich Jehan jetzt in die Unterhaltung ein, „dann müssen wir ins Bett. Ich bin nämlich müde und ihr sitzt auf unserem Schlafplatz.“

„Mir fallen auch gleich die Augen zu“, stellte Leo fest. „Los, Lotti, lass uns die Menschin ins Bett bringen.“

Sie legte ihre Vorderpfote nun auf die Hand der dicken freundlichen Frau und fuhr langsam aber sicher ihre Krallen aus.

„Leo!“, schreckte die dicke freundliche Frau hoch, die den Film auch langweilig fand und kurz vor dem Einschlafen stand, „was ist denn? Oh, ist es schon spät?“

„Mepp!“, sagte Jehan und zeigte auf die Taschenuhr, die er gerade aus seiner Bauchtasche gezogen hatte.

„Wie das weiße Kaninchen bei Alice im Wunderland“, murmelte die dicke freundliche Frau und stemmte sich mühsam vom Sofa hoch, wobei sie sich bemühte, keine Katze auf den Fußboden zu schubsen. Was gar nicht so einfach war, denn schließlich war sie zwischen vier schläfrigen Katzen eingeklemmt, von denen keine den Körperkontakt verlieren wollte. Als sie dann schließlich stand und keine Katze mehr an ihren Oberschenkeln hing (und nur ein bisschen Blut von diesen herabtropfte), hechteten besagte vier Katzen wie ein Panther vom Sofa und rasten ins Schlafzimmer, wo sie aufs Bett hüpften, sich an einer strategisch möglichst günstig gelegenen Stelle zusammenrollten, die Augen schlossen und so taten, als hätten sie schon den ganzen Abend in freudiger Erwartung dort gelegen.

Die dicke freundliche Frau warf nur einen Blick auf ihr mit Katzen vollbesetztes Bett und drehte gleich wieder um. „Ich schlafe auf dem Besuchersofa!“

„Sie schläft auf dem Besuchersofa!“, schrie Jette aufgeregt. „Los, wer zuerst da ist, darf sich seinen Schlafplatz aussuchen!“

Während sie noch wichtig gestikulierte und Jehan wachrüttelte, der in Sekundenschnelle tatsächlich fest eingeschlafen war, hatte Leo bereits das Zimmer gewechselt und es sich auf dem Besuchersofa gemütlich gemacht. Lotti war ihr dicht auf den Fersen, brauchte aber zwei Anläufe, um auf das Sofa zu kommen. Wenige Sekunden später plumpste eine bereits zusammengerollte Jette neben ihr auf die auf dem Besuchersofa lagernde Ersatzbettdecke und selbst Jehan gewann wertvolle Sekunden auf den letzten Metern, in dem er der dicken freundlichen Frau elegant den Weg abschnitt, absprang und direkt neben Lotti zu liegen kam.

„Hallo, Süße!“

„Fauch!“

Die dicke freundliche Frau blieb ungläubig in der Zimmertür stehen und begutachtete dasselbe Stillleben, das ihr eben erst ihr Bett verleidet hatte. „Wollt ihr mich verarschen?“

Während die Katzen noch überlegten, ob das nun eigentlich ihr Hauptbeweggrund war oder ob sie sich nur gegenseitig keinen guten Platz im Bett gönnten, hatte die dicke freundliche Frau schon kehrtgemacht und war erstaunlich schnell zurück ins Schlafzimmer gehuscht, wo sie sich jetzt mit Anlauf auf ihr Bett warf. „So, ich bin drin. Nun kommt ihr.“

Hops. Hops. Hops. Hopshops (ja, das war Lotti).

Das entstehende feline Stimmengewirr war vermutlich weithin zu hören: Ah, ankuscheln. Geh da weg, das ist mein Platz. Ich möchte auch mal hier oben sitzen. Lass mich durch. Hallo, Süße. Leo, sag doch auch mal was. Sie Wüstling! Ich schlafe nicht schon wieder an den Füßen, ich habe schon gestern an den Füßen geschlafen. Nehmen Sie sofort Ihre Pfote da weg. Mepp?

Die dicke freundliche Frau verhielt sich ganz still. Sie wusste, jeder Kommentar, jede Bewegung, jede Stellungnahme ihrerseits konnte die Angelegenheit nur verkomplizieren. Ihre Devise war: Einfach liegenbleiben, einatmen, ausatmen.

Schließlich – endlich! – beruhigte sich die Lage langsam. Erstaunlicherweise sah es im Bett aus wie immer um diese Zeit. Lotti lag auf der kleinen Kuscheldecke genau neben dem Kopfkissen der dicken freundlichen Frau und hatte besitzergreifend eine Pfote auf deren Arm gelehnt. Etwa einen halben Meter entfernt, gerade außer Reichweite, stand Jehan und überlegte, was sein nächster, natürlich bestens überlegter und vor allem männlicher Move sein sollte. Jette hatte sich am Fußende des Bettes zu einer kleinen Kugel zusammengerollt und stellte sich schlafend – es war klar, dass sie nur auf eine gute Gelegenheit wartete, unter die Bettdecke zu krabbeln und dort eine Höhle zu bauen.

Leo hatte, wie eigentlich auch immer, beschlossen, dass es ihr auf der Innenseite des Bettes zu eng und zu gefährlich war, und auf der Gangseite Platz genommen, wo sie nun zwar auf der Bettkante balancieren musste, dafür aber viel Körperkontakt mit der dicken freundlichen Frau hatte. Und ihre Ruhe.

„Seid ihr alle auf Position?“, erkundigte sich die dicke freundliche Frau. „Dann mache ich jetzt das Licht aus. Und denkt bitte dran: Ich möchte morgen früh nicht mit Krallenabdrücken im Gesicht aufwachen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht“, schallte es vier flauschigen Kehlchen zurück. Dann wurde es dunkel im Schlafzimmer und das Monster, das in den letzten Minuten voller Angst vor den vielen anwesenden Raubtieren und der insgesamt angespannten Stimmung stumm und reglos unter dem Bett verharrt hatte, robbte auf dem Bauch und ohne ein Geräusch zu machen, davon. Es würde sich gut überlegen, noch einmal unter diesem Bett Quartier zu beziehen.

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