Warum Aufstehen mit Katzen so viel schöner ist.

Kennen Sie das, wenn Sie morgens schon vor dem Weckerklingeln frisch, fröhlich und ausgeschlafen aus dem Bett springen und sich voll motiviert Ihrem Tagewerk zuwenden? Nein? Ich auch nicht.

Mein Wecker klingelt, da ich derzeit im Allgemeinen nicht zu irgendeiner Zeit an irgendeinem Ort und einsatzfähig sein muss, ohnehin ziemlich spät. Und trotzdem: Er reißt mich grundsätzlich aus dem ersten friedlichen Tiefschlaf der gesamten Nacht. Jedenfalls fühlt es sich so an.

Außerdem fühlt es sich so an, als hätte mich über Nacht ein Bus oder ein Trecker überfahren. Mehrfach, mit Wenden. Eigentlich immer beim Aufstehen. Was fies ist, denn abends beim Schlafengehen ging es mir ja, abgesehen von etwas Müdigkeit, noch gut. Nun aber fühle ich mich blöd im Kopf und schmerzhaft im Körper. So schön.

Wenn ich dann aber mein zu Weckzwecken cellospielendes Smartphone zur Ruhe gebracht habe und mühsam mit beiden Augen in dieselbe Richtung zu gucken versuche, dann fällt mein Blick unweigerlich auf zwei kleine flauschige Gestalten, die vor meinem Bett sitzen und mich besorgt beobachten. Sie sagen nicht viel, sie schauen nur. Das aber sehr intensiv. Und wenn es mir dann gelingt, meinen Blick zu fokussieren, dann erkenne ich, dass sie vor Hunger ganz eingefallen aussehen.

„Das kann nicht sein“, sage ich, „wir waren doch vor zwei Stunden zusammen in der Küche und ihr habt ein Tütchen und Trockenfutter bekommen.“

„Mist“, sagt dann die eine flauschige Gestalt zur anderen, „sie erinnert sich doch.“

„Dabei war ich ganz sicher, dass sie schlafwandelt“, sagt die andere flauschige Gestalt. „Sie hat dann doch auch nur mit Müh und Not ihr Klo gefunden.“

„Ich kann euch hören!“, rufe ich ihnen zu. Aua. Das tut weh im Kopf.

„Hören vielleicht“, erwidert die etwas stattlichere flauschige Gestalt, „aber nicht verstehen.“

„Du hast doch keine Ahnung“, gebe ich schnippisch, aber wesentlich leiser zurück. „Ich verstehe euch sehr gut. Ihr macht euch über mich lustig und wollt mich austricksen. Alles wie immer also.“

„Aber dafür sind wir niedlich“, sagt die stattliche flauschige Gestalt.

„Nein, nicht niedlich!“, ruft die etwas weniger stattliche flauschige Gestalt. „Wir sind gefährlich. Sehr gefährlich!“

„Natürlich“, erwidere ich. „Sehr gefährlich. Vor allem, wenn ihr hungrig seid.“

„Sehr hungrig!“, ruft die stattliche flauschige Gestalt mit den orangefarbenen Flecken.

„Dann lasst uns in die Küche gehen!“, schlage ich vor.

„Oh ja!“, schallt es aus zwei Flauschkehlchen zurück. „Wir gehen schon mal vor!“

Habe ich das wirklich gesagt? Dann muss ich jetzt irgendwie das Bett verlassen und in die Küche gelangen.

„Und ins Badezimmer!“, schreit eine überhaupt nicht flauschige Blase, die mit dieser Geschichte eigentlich gar nichts zu tun hat, deren Sprache ich aber auch mühelos verstehe.

Ich schlage meine geliebte kuschelig-warme Bettdecke zurück – Scheiße, es ist kalt! – und versuche, meinen Körper so weit zu koordinieren, dass ich gleichzeitig die Füße aus dem Bett hieven und den Oberkörper aufrichten kann. Klappt immerhin schon beim zweiten Versuch. Mir ist immer noch mulmig.

„Bin gleich bei euch“, versichere ich den aufgeregten und verunsicherten Katzen, die unter Wahrung eines großzügig bemessenen Sicherheitsabstandes – „Wenn die auf uns drauffällt, Lotti, dann sind wir platt! Platt!“ – vor mir auf und abtänzeln und mit verschiedenen Extremitäten in Richtung Küche weisen. „Bin schon so gut wie fast unterwegs.“

Sitzen geht jetzt schon fast ohne Anstrengung. Kommen wir zum nächsten Schritt: Latschen anziehen und Aufstehen. Freihändig. Ich hole mit dem Oberkörper Schwung, stemme mich mühsam hoch und halte mich direkt gegenüber am Kleiderschrank fest. Okay, Stehen geht auch. Jetzt mal mit ohne Festhalten.

Die flauschigen Gestalten machen noch einen Schritt nach hinten. Offenbar schwanke ich mehr, als sie für den Sicherheitsstandards entsprechend halten. Egal. Ich nutze den Schwankschwung und manövriere mich am Kleiderschrank vorbei. Nun stehe ich schon fast im Flur.

Erst Küche oder erst Badezimmer?

„Badezimmer!“, schreit die Blase.

„Küche!“, schreien die flauschigen Gestalten. Sie sind zu zweit und sehr gefährlich. Also erst Küche.

„Hast du dir das gut überlegt?“, fragt die Blase mit falsch-freundlicher Stimme. „Ich bin ja nicht direkt gefährlich, aber ich habe auch so meine Druckmittel…“

„Schnauze, Blase!“, murmele ich und stolpere in die Küche, greife mir ein Katzenfuttertütchen, zwei Schälchen und…

Hat die Blase was von Druckmittel gesagt? AAAAAHHHH!

„Siehst du“, lächelt die scheinheilige Blase, „aber du musstest ja die App mit der Beckenbodengymnastik deinstallieren.“

„MIAUUUUU!“, schreien die flauschigen Gestalten und starren mich aus sicherem Abstand hungrig und wütend an. „Nun mach schon. Danach kannst du pinkeln, solange du möchtest.“

… öffne das Katzenfuttertütchen ohne weiteres Zögern und Zaudern. Oh Gott, das Zeug stinkt. Nun ist mir auch noch übel. Ich drücke die undefinierbare braune Stinkmasse in die zwei Schälchen und stelle diese auf die beiden Kunststoffmatten vor dem Herd.

„Guten Appetit!“

Nun aber nichts wie ins Badezimmer. Es ist allerhöchste Eisenbahn. Nichts kann mich mehr aufhalten! Ich muss jetzt…

„MIIIAAAUUUU!“

„Was ist?“

„Das ist Lamm!“, schreit die etwas stattlichere flauschige Gestalt.

„Das mögen wir nicht“, erklärt die etwas weniger stattliche aber mindestens ebenso flauschige Gestalt (offenbar stellen sich vor Abscheu gerade ihre Rückenhaare auf).

Verdammt. Offenbar habe ich in der Morgendämmerung oder weil meine Augen noch halb geschlossen sind, das falsche Tütchen gegriffen. Das muss natürlich umgehend korr…

„Denk nicht mal darüber nach!“, schreit die Blase und ich weiß, sie meint es ernst. Ich kapituliere und setze mich auf die Toilette, vor der ich ja sowieso gerade stehe. Aaaaaaaahhhhh.

Zwei kleine, aber äußerst wütende und extrem gefährliche flauschige Gestalten erscheinen in der Badezimmertür.

„Was machst du da?“

„Tut mir leid“, sage ich mit schwacher Stimme, „aber es ging nicht anders. Kommt erstmal in mein Alter, dann werdet ihr das verstehen. Ich bin gleich wieder bei euch. Und dann dürft ihr euch ein Tütchen aussuchen.“

„Ein Tütchen?“, fragt die etwas weniger flauschige Gestalt mit dem aufgestellten Rückenfell bedrohlich und kommt noch einen Schritt näher. „Nur ein Tütchen?“

„Also… äh…“, stottere ich, „ich meine natürlich ein Tütchen für jede von euch.“

Ich beende mein Geschäft, die Blase legt sich endlich zur Ruhe, und wir stolpern zurück in die Küche. Ich entferne die Schälchen mit dem ekelerregenden Lamm-Katzenfutter, suche zwei saubere Schälchen aus dem Abtropfgestell und halte den beiden inzwischen wirklich sehr eingefallen aussehenden flauschigen Gestalten eine Handvoll Tütchen zur Auswahl hin.

„Bitte schön, was darf es sein?“

„Alles!“, quietscht die etwas stattlichere flauschige Gestalt. Die etwas weniger flauschige Gestalt ergänzt: „Du musst noch nicht alle Tütchen öffnen. Aber gibt sie uns.“

Ich reiße zwei Nichtlamm-Tütchen auf – die genauso stinken wie die Lamm-Tütchen – und verteile sie auf zwei Schälchen. Diese stelle ich den beiden flauschigen Gestalten vor die Füße.

„Omnomnomnomnomnom.“

Puh. Endlich. Warum muss das immer so stressig sein? Wenigstens ist mir jetzt nicht mehr mulmig zumute, nur etwas flau im Magen wegen des Katzenfuttergeruchs. Die Blase ist auch zufrieden, zumindest für die nächsten zwei Stunden. Und ich muss nicht zu irgendeiner Zeit an irgendeinem Ort sein. Vielleicht lege ich mich noch mal kurz für einen winzigen Moment hin. Wenn die flauschigen Gestalten erst einmal gesättigt sind, legen sie sich eventuell sogar dazu und dann können wir in einer halben Stunde ganz entspannt zusammen aufstehen. Ist das nicht eine wunderbare Idee?

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