Puh. Das war eine anstrengende Woche. Von Anfang bis Ende, wobei ich eigentlich schon am Montagabend so durch mit allem und fertig mit Jack und Büx war, dass alle weiteren Tage, obwohl sie sich große Mühe gaben, mich umzubringen, eigentlich keinen besonders tiefen Eindruck mehr auf mich machen konnten.
Ja, das Wetter hatte viel damit zu tun. Sehr viel. Ich mag es ja warm und selbst heiß ist mir lieber als kalt, aber der schnelle Wechsel und vor allem so ein Waschküchenwetter mit steigenden Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit von über 500 Prozent, die schaffen mich mit unfehlbarer Sicherheit. Schweißgebadet ist kein angemessenes Wort für meinen Zustand bei dieser Wetterlage, eher „als Kind in den Kessel mit dem Schweiß gefallen und seitdem nie mehr ganz trocken gewesen“.
So kam es, dass ich am Montag nach der Arbeit tapfer zum Schwimmbad, das netterweise ganz in der Nähe des Altonaer Hospizes gelegen ist, rüberrobbte, in der Hoffnung, mich etwas zu erfrischen und gleichzeitig sportlich zu betätigen. Das ging nur am Montag, denn wie viele andere Schwimmbäder in Hamburg macht das Festland in St. Pauli/Altona momentan ein paar mehr Schließtage als sonst, nämlich am Dienstag und Mittwoch. Es war kurz nach 18 Uhr und ich dachte, da gehen die Familien mit den kleinen Kindern ja langsam nach Hause und es ist nicht mehr so voll. Na ja, falsch gedacht.
Es gab kaum noch einen freien Schrank im Umkleidebereich, geschweige denn einen freien oder gar trockenen Fleck zum Umziehen. Familien mit Kleinkindern überall, leider nicht alle, wie ich zunächst hoffte, auf dem Weg nach draußen. Ich zog mich fluchend unter den Augen einiger kritischer Vorschulkinder um, die entweder meinen wunderschönen neuen Zitronen-Tankini nicht mochten oder mich. Wahrscheinlich beides. Oder sie waren besorgt, weil mir der Schweiß schon vor dem Sport mehrere Zentimeter dick im Gesicht stand.
Im Ganzjahresaußenbecken war es schön, wenn auch nicht ruhig. Aber das Wasser fühlte sich frisch an und die von der Seite scheinende Sonne ließ es glitzern, so sehr, dass ich mir wünschte, ich hätte meine Sonnenbrille draufgelassen. Kleinkinder in Schwimmringen und Schwimmflügeln allenthalben, dazu ein paar aufgeregte Teenager beiderlei Geschlechts in Gruppenverbänden, die sich gegenseitig mit Neugier beäugten. Zum Schwimmen wäre es mir zu voll gewesen, auch weil die Menschen sich kaum in Bahnen bewegten, sondern kreuz und quer, aber zum Glück wollte ich ja gar nicht schwimmen, sondern nur schreiten und hüpfen. Das geht auf der Stelle oder auch entspannt allen Hindernissen ausweichend.
Dachte ich. Aber da kannte ich das kleine Mädchen mit dem rosa Schwimmring noch nicht. Dieses saß abwechselnd auf dem Schoß ihrer Mutter im Schatten unter einem Baum oder dümpelte am hinteren Ende des Beckens herum. Ich schwöre, dass sie sich nicht einmal irgendwo zwischen diesen Positionen befunden hat, sondern sich einfach so an irgendeiner Stelle materialisierte. Ohne Vorankündigung. Und dann fühlte sich der rosa Schwimmring offensichtlich auf magische Weise von meinem Zitronen-Tankini angezogen und die Kleine rempelte mich, ohne dass sie Arme oder Beine bewegt hätte, in unregelmäßigen Abständen von hinten an. Großartig. Und dass, wo ich beim Hüpfen im Wasser doch eigentlich Flutwellen erzeuge, die sie in Sekundenschnell auf die andere Seite des Beckens hätten treiben sollen. Nun ja.
Das Hüpfen war ganz schön, nicht gerade meditativ, aber doch ganz entspannend. Der Gedanke daran, mich anschließend in der Umkleide abtrocknen und wieder anziehen zu müssen, entspannte mich aber ganz und gar nicht. Trotzdem ließ es sich leider nicht umgehen und so trat ich nach etwa dreißig Minuten Hüpfen und Schreiten wieder den Weg nach drinnen an. Schon beim Durchqueren der Schwimmhalle fing ich wieder an zu schwitzen und als ich in der Umkleide ankam, stand mir schon der Schweiß auf der Stirn. Vor der Damendusche stand eine Warteschlange, also verkniff ich mir das Duschen und drängelte mich gleich zu meinem Schrank durch. Natürlich saßen vor dem Nebenschrank wieder diverse Großfamilien mit Kleinkindern auf dem nassen Kachelboden und starrten mich an. Eine freie Sitzbank oder einen trockenen Fleck konnte ich nirgends entdecken. Dafür stand die Luftfeuchtigkeit jetzt bei ca. 700 Prozent.
Ich überlegte kurz, ob ich im Badeanzug und in mein Handtuch gewickelt zur Bushaltestelle gehen sollte, um mich dort in Ruhe umzuziehen. Allein der Gedanke, dass dort Kleinkinder auf den Bus warten könnten, hielt mich davon ab. Schließlich fand ich eine theoretisch verriegelbare Umkleidekabine, in der das Wasser nur etwa kniehoch stand. Theoretisch verriegelbar bedeutet übrigens, dass während meiner Anwesenheit dort mehrere Kleinkinder die Tür aufbolzten, um mich anzustarren. Oder den Tankini.
Mir war jetzt alles egal und ich kämpfte mich, badewassernass und schweißbedeckt in meine Klamotten, um dieser Vorhölle so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Mein Kreislauf hatte auch keine Lust mehr, was sich als grundsätzlich vorteilhaft erwies, weil mir die starrenden Kleinkinder an der Bushaltestelle jetzt echt egal waren. Ich wollte einfach nur nach Hause, und das schnell. Zum Glück fuhren am Montag noch alle Busse; ich glaube, anderenfalls hätte ich mich einfach auf die Straße gesetzt und geheult. Und zwar für die nächsten acht Wochen. Mindestens.
Der Rest der Woche war wirklich unangenehm und nervig. Ich hatte ständig Termine an verschiedenen Orten, teilweise gleichzeitig, und immer wenn ich mich für einen Termin/Ort entschieden hatte, wurde dieser abgesagt (der Termin, nicht der Ort). Alle Buslinien, die ich brauche, um zu meinen Arbeitsplätzen zu kommen, wurden ab Dienstag umgeleitet oder komplett eingestellt – wegen der Triathlon-WM am Wochenende! – am Donnerstabend brauchte ich vom Deich nach Hause, was normalerweise maximal 80 Minuten dauert, satte zweieinhalb Stunden. Die Kleinkinder in diesen Bussen gaben das Starren auf und fingen an zu brüllen. Was soll ich sagen, ich konnte sie verstehen. Es war alles ekelhaft und megaanstrengend, aber nichts gegen den Montag. Nichts. Und jetzt, am Wochenende, möchte ich einfach nur hier sitzen. Ganz ruhig, ohne Termine, ohne Busse, ohne Kleinkinder, ohne Schweiß auf der Stirn. Ah. Herrlich.